Böses Herz: Thriller (German Edition)
ich weiß. Aber eine andere Möglichkeit hast du nicht. Es sei denn …« Er nickte zu Emily hin. »Du verlässt dich darauf, dass Doral Hawkins sie am Leben lässt. Ich würde nicht darauf wetten. Vielleicht willst du es tun.«
Sie sah ihn finster an. »Dieses Argument bringst du jedes Mal.«
»Weil es jedes Mal zieht. Wie ist Toris Nummer?«
28
N och vor dem ersten prüfenden Blick durch die Lamellen ihrer Jalousie wusste Tori instinktiv, dass es eine gottlose Uhrzeit für einen Anruf war.
Stöhnend vergrub sie ihren Kopf im Kissen, um das Geklingel auszublenden. Dann fiel ihr siedend heiß ein, was gestern passiert war, und sie wälzte sich hektisch zum Nachttisch, um nach dem Apparat zu greifen. »Hallo?«
»Habe ich dich aufgeweckt, Tori?«
Weder Honor noch Bonnell, die beiden einzigen Menschen auf Gottes weiter Welt, denen sie einen Anruf im Morgengrauen womöglich verziehen hätte. »Wer ist da?«
»Amber.«
Mit finsterem Gesicht ließ sich Tori auf das Kissen zurückfallen. »Was gibt’s? Und ich hoffe, es ist was Wichtiges.«
»Also, genau wie du mir damals gezeigt hast, stelle ich jeden Morgen zuerst die Alarmanlage aus und schalte danach die Saunen und Whirlpools im Herren- und Damenbereich ein, damit sie aufgeheizt werden. Wenn ich dann überall im Studio das Licht angemacht habe, schließe ich die Vordertür auf, weil manchmal schon zu dieser Zeit Kunden warten …«
»Mein Gott, Amber, komm zum Punkt.«
»Und danach höre ich den Anrufbeantworter ab. Heute Morgen hat jemand um zwei Minuten vor sechs, kurz bevor ich das Studio geöffnet habe, eine ziemlich merkwürdige Nachricht hinterlassen.«
»Was für eine Nachricht denn?«
»›Was sieht Barbie eigentlich in Ken?‹«
Sofort saß Tori senkrecht im Bett. »Mehr hat sie nicht gesagt?«
»Eigentlich war es ein Mann.«
Tori ließ sich das kurz durch den Kopf gehen und meinte dann: »Sag mal, ist dir nicht klar, dass das bloß ein dummer Streich war? Kein Grund, mich mit diesem Mist zu belästigen.«
»Kommst du heute ins Studio?«
»Zähl lieber nicht darauf. Du musst noch mal für mich einspringen.«
Tori legte auf und schnellte aus dem Bett. Sie verzichtete aufs Frisieren und aufs Schminken, worauf sie sonst nie verzichtete, und schlüpfte in die ersten Sachen, die ihre Hände aus dem Kleiderschrank zerrten. Anschließend griff sie nach ihren Schlüsseln und der Handtasche und stürmte durch die Haustür.
Aber noch auf dem Weg zu ihrem Auto fiel ihr ein verbeulter Lieferwagen auf, der am Straßenrand gegenüber parkte, nicht ganz auf halbem Weg zur nächsten Straßenecke. Wer in diesem Wagen saß, hatte freien Blick auf ihr Haus. Sie konnte nicht feststellen, ob jemand hinter dem Steuer war, aber plötzlich fiel ihr wieder ein, was Doral gesagt hatte. Ich werde an dir kleben wie eine Fliege an der Windschutzscheibe.
Vielleicht hatte sie zu viele Krimis gesehen, vielleicht war sie einfach paranoid, aber ihre beste Freundin war gestern entführt worden, sie war von einem berüchtigten Rowdy bedrängt und bedroht worden, und sie hatte diesen Lieferwagen noch nie in ihrer Straße gesehen.
Besser paranoid als blöd.
Statt weiter zu ihrem Wagen zu gehen, bückte sie sich und hob die Morgenzeitung auf, die im feuchten Gras lag. Scheinbar in die Schlagzeilen vertieft, schlenderte sie ins Haus zurück und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Dann eilte sie zur Rückseite des Hauses, schlüpfte durch die Hintertür und lief auf einem Weg, der von der Straße aus nicht einsehbar war, über den Rasen, der nahtlos in den ihres Nachbarn auf der Rückseite ihres Grundstücks überging. Bei den Nachbarn brannte schon Licht in der Küche. Sie klopfte an die Tür.
Ein gutaussehender, durchtrainierter Mann öffnete ihr. Er trug eine arrogant dreinblickende Katze auf dem Arm. Tori konnte die Katze nicht ausstehen, und dieses Gefühl wurde von Herzen erwidert. Aber sie liebte den Mann, seit er ihr einmal erklärt hatte, dass er in seinem nächsten Leben eine kompromisslose Diva-Zicke werden wolle wie sie.
Er war Kunde in ihrem Studio und trainierte regelmäßig wie ein Uhrwerk. Sein wohldefinierter Bizeps wölbte sich gefällig, als er die Fliegentür aufdrückte und Tori ins Haus winkte. »Was für eine Überraschung! Schatz, schau mal, wer uns besuchen kommt. Tori.«
Sein nicht weniger durchtrainierter Partner in dieser schwulen Ehe, der einzigen in Tambour, trat in die Küche und bohrte gleichzeitig einen Manschettenknopf durch
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