Böses Herz: Thriller (German Edition)
waren nicht das einzige Hindernis. Tom wusste nicht recht, wie Janice reagieren würde, wenn er ihr vorschlug, dass sie ihre ursprüngliche Einstellung zu Lannys Pflege überdenken sollten. Er hatte Angst, dass sie ihn davon abbringen würde. Und genauso viel Angst, dass sie zustimmen würde.
Sie spürte, dass er im Raum war, und drehte sich zu ihm um. »Schinken und Käse mit Senf?«
»Sehr gut.«
Sie wickelte das Sandwich in Frischhaltefolie. »Bleibst du über Nacht?«
»So lange kann ich dich nicht mit Lanny allein lassen.«
»Ich komme schon zurecht.«
Tom schüttelte den Kopf. »Ich komme nach Hause. Fred Hawkins wird mir seine gesamten Fallunterlagen zukommen lassen.«
»Du meinst das Polizei-Orakel von Tambour?«
Ihre sarkastische Bemerkung brachte ihn zum Lächeln. Sie kannte die Hawkins-Zwillinge noch von ihrem letzten Jahr auf der Highschool, als ihr Vater beschlossen hatte, »aufs Land« zu ziehen, weshalb er Janice von der christlichen Schule in New Orleans ab- und in der öffentlichen Schule von Tambour angemeldet hatte. Tambour war vielleicht nicht weit von New Orleans entfernt, aber zwischen den beiden Orten lagen Welten.
Janice hatte einen wahren Kulturschock erlitten und ihren Eltern nie wirklich verziehen, dass die beiden sie während des entscheidenden letzten Schuljahres entwurzelt und nach »Bubbaville« verpflanzt hatten. Insgeheim hielt sie jeden in Tambour für einen Hinterwäldler, so auch und ganz besonders Fred Hawkins und seinen Bruder Doral. Dass der eine ein Gesetzeshüter und der andere ein Stadtvertreter geworden war, konnte sie immer noch nicht ganz glauben. Selbst für Tambour-Verhältnisse hatten die beiden Janices Erwartungen weit übertroffen.
»Ganz Tambour will den Kopf von Sam Marsets Mörder auf einer Lanze aufgespießt sehen, und alle sitzen Fred im Nacken, ihn endlich zu schnappen«, erklärte ihr Tom. »Der Coroner schätzt, dass alle sieben Opfer gegen Mitternacht starben, somit ermittelt Fred« – er warf einen Blick auf die Uhr an der Mikrowelle – »inzwischen seit fast zwölf Stunden, ohne dass er eine brauchbare Spur gefunden hätte.«
Janice verzog das Gesicht. »Im Fernsehen hieß es, der Tatort wäre ein Schlachtfeld.«
»Die Fotos, die meine Leute mir geschickt haben, waren nicht schön.«
»Was hatte der Firmenbesitzer mitten in der Nacht in einer Lagerhalle zu suchen?«
»Das kam Fred auch merkwürdig vor. Mrs. Marset war in der Hinsicht keine Hilfe, sie war zu der Zeit nicht in der Stadt. Fred nimmt an, dass dieser Coburn Ärger gemacht hat, sich mit einem Mitarbeiter angelegt hat und ein Vorarbeiter daraufhin Marset anrief. Sie werden die Anrufe durchgehen, aber bislang weiß niemand genau, warum Marset zu dieser ungewöhnlichen Uhrzeit dort war.«
»Hat dieser Lee Coburn schon öfter Probleme gemacht?«
»In seiner Personalakte deutet nichts darauf hin. Aber andererseits scheint ihn auch niemand wirklich zu kennen.«
»Das dachte ich mir schon nach Freds Pressekonferenz. Abgesehen von einer Beschreibung und einem Phantombild haben sie offenbar nicht viel in der Hand.«
»Er hat bei seiner Bewerbung falsche Daten angegeben.«
»Sie haben die Angaben nicht überprüft, bevor sie ihn eingestellt haben?«
»Ein Versäumnis, das man in der Personalabteilung inzwischen bestimmt bereut.«
»Warum hat er wohl bei seiner Bewerbung gelogen? Weil er Vorstrafen verschweigen wollte?«
»Das nimmt man allgemein an. Aber sie haben seine Fingerabdrücke eingegeben, ohne dass das System eine frühere Verhaftung angezeigt hätte.«
Janice zog die Stirn in Falten. »Wahrscheinlich ist er einer dieser kaputten Typen, die immer wieder durchs Raster der Gesellschaft fallen, bis sie irgendwann durchdrehen. Erst dann werden sie von allen bemerkt. Ich verstehe nur nicht, warum es diese Wahnsinnigen immer auf Unschuldige abgesehen haben. Warum hat er nicht einfach einen der Trucks demoliert, wenn er Ärger in der Firma hatte? Warum musste er gleich ein Blutbad anrichten?«
Als Tom Janice kennengelernt hatte, war sie ein gefühlvoller, einfühlsamer Mensch gewesen und hatte ein Herz für Benachteiligte aller Art gehabt. Im Lauf der Jahre war ihre Toleranzschwelle rapide gesunken.
»Offenbar wirkte Coburn nicht wie ein Geisteskranker«, sagte er.
»Das tun sie selten.«
Tom gestand ihr das mit einem knappen Kopfnicken zu. »Er war seit Kurzem für die Frachtlisten verantwortlich. Vielleicht ist er unter der Last dieser Verantwortung
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