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Boeses mit Boesem

Boeses mit Boesem

Titel: Boeses mit Boesem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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sich deswegen keine Sorgen«, erklärte er und zeigte auf die Kamera oben in der Ecke. »Ich habe mich darum gekümmert. Die waren sowieso die ganze Woche kaputt.«
    Richard ließ uns mit Salda und zwanzig anderen Leichen auf Eis allein. Ich blätterte den Bericht durch.
    »Die Todesursache waren zwei kleinkalibrige Schusswunden im Kopf«, gab ich den Text in meinen eigenen Worten wieder. »Der erste Schuss war eine Kontaktwunde am Hinterkopf.« Das bedeutete, dass die Waffe gegen Saldas Kopf gedrückt worden war. »Das zweite Einschussloch ist seitlich. An dieser Wunde wurden keine Pulverspuren gefunden. Als er nach dem ersten Schuss auf dem Boden lag, müssen sie noch einmal auf Nummer sicher gegangen sein.«
    »Wo wurde er gefunden?«, fragte Iris.
    »Unter der Queensboro Bridge. Er wurde in seinem eigenen Wagen entsorgt.« Ich blätterte um. »An den Händen hat er Abschürfungen von einer Art grobem Seil. Außerdem finden sich in den Oberarmen einige Holzsplitter.«
    Die Leiche hatte am ganzen Oberkörper Prellungen, die sowohl mit den Fäusten als auch mit Schlagringen zugefügt worden waren, am schlimmsten im Bereich der Nieren. Drei der vier Finger an seiner linken Hand waren gebrochen. Ihm fehlten vier Zähne und er hatte auf jedem Auge ein Veilchen. Sein rechter Fuß lag in einem sonderbaren Winkel auf dem Tisch. Ich brauchte den Bericht nicht zu lesen, um zu wissen, dass der Knöchel gebrochen war.
    »Sie haben ihn an einen Holzstuhl gefesselt und halb totgeprügelt«, |205| sagte ich. »Anscheinend weiß da immer noch jemand die klassischen Methoden zu schätzen.«
    Den letzten Satz hätte ich mir besser verkniffen, aber Iris tadelte mich nicht. Sie war ganz auf die Leiche konzentriert, die nackt und allein auf dem Seziertisch lag. Sie waren kein Liebespaar gewesen; das sah ich ihren trockenen Augen an. Vielmehr hatte sie einen traurigen, aber resignierten Blick, den ich nur zu gut kannte. Mit demselben Blick hatten wir allzu oft unsere Freunde in Teheran verabschiedet. Man rechnete damit, dass der Tod vorbeischaute, aber das machte es kein bisschen leichter, ihn zu ertragen.
    »Hatte er Familie?«, fragte ich.
    »Eine Frau und drei Töchter«, antwortete Iris. »Vor sechs Monaten haben sie ihn zum letzten Mal gesehen. Er konnte ihnen nicht erzählen, was er tat. Jetzt werden sie sein Opfer nie verstehen.«
    »Der
Kreuzzug
wird sie nicht einmal jetzt aufklären?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Iris. »Das ist nicht meine Entscheidung.«
    Eine Leichenbahre kam hinter uns durch die Flügeltür. Richard schob sie und stellte sie neben mir ab. »Ich kann Ihnen nur noch fünf Minuten geben. Die Gerichtsmedizinerin kommt bald zurück.«
    Ich hörte kaum, was er sagte. Auf der Bahre lag eine Frau, die ich kannte. Es war Mary.
    Richard bemerkte mein Interesse. »Die war ganz schön scharf, nicht wahr?«
    »Was können Sie mir über sie sagen?«
    »Nicht viel. Sie wurde vor ein paar Stunden hereingebracht«, erklärte er. »Dem Zettel zufolge wurde sie aus dem Hudson gezogen. Sie ist noch unbekannt.«
    Um Marys ehemals vollkommenen Hals zog sich der dunkle Ring einer Quetschung. »Erwürgt?«
    »Sehe ich aus wie die Gerichtsmedizinerin?«, fragte |206| Richard und schob Mary in die Ecke. Er zeigte auf seine Uhr und verließ den Raum.
    Iris hörte auf, Salda zu fotografieren, und sah zu, wie ich Marys Leiche betrachtete. »Hast du sie gekannt?«, fragte sie.
    »Ja«, antwortete ich. »Ich habe versucht, sie ins Gefängnis zu bringen.«
    Von den Quetschungen abgesehen sah Mary äußerlich genauso aus wie bei unserer letzten Begegnung. Ich fragte mich, wohin all diese Selbstsicherheit, die verschlagene Intelligenz und der Sexappeal verschwunden waren. Davon war jetzt nicht mehr viel übrig. Wenn man dabei gewesen wäre, als ihr Herz zu schlagen aufhörte, hätte man vielleicht sehen können, wie ein Schatten dessen, was sie gewesen war, in die Luft aufstieg. Aber vielleicht war es auch einfach für immer verschwunden.
    »Möchtest du mir davon erzählen?«, fragte Iris.
    »Es war einfach irgendein Job«, sagte ich. »Sind wir hier fertig.«
    »Sicher«, sagte Iris.
    »Dann lass uns gehen. Wir haben nicht viel Zeit.«
    »Was ist mit deinem Freund?«, fragte Iris.
    Ich nahm an, dass sie Richard meinte. »Der ist nicht mein Freund. Das Einzige, was wir gemeinsam haben, ist eine tiefe Liebe zum Inhalt meiner Brieftasche.«
    Wir verließen den Leichenkeller mit dem Lift und kehrten auf die Straße zurück. Ich wusste

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