Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
wir uns an. Wir studierten die Karte, die an die Wandbohlen geheftet war und in dieser Einsamkeit mit farbigen Hinweisen Wanderwege kennzeichnete und auch die Straße zum Lebensmittelgeschäft enthielt. Ich erkannte den Standort unserer Hütte und prägte mir den Weg ein.
»Elke, wenn das Wetter mal mies werden sollte, haben wir Zeit zu ausgedehnten Wanderungen. Die Wege sind hier hervorragend eingezeichnet«, sagte ich, als wir die Hütte verließen.
Wir fuhren los. Während der Fahrt an blühenden, wild wachsenden Blumen vorbei, unter sich häufig wechselnden Baumkronen, über Wege, die für Geländefahrzeuge konzipiert waren, passierten wir häufig die Grundstücke einsamer Bauernhöfe, die mitten in riesigen gerodeten Feldern ihre farbigen Holzfassaden unseren Blicken darboten. Auf den steinigen Weiden grasten braunweiße Kühe, die unserer Staubwolke mit großen Augen nachschauten.
Den Gemischtwarenladen führten zwei Frauen, Mutter und Tochter, so schien mir. Fehlgriffe wegen unserer Sprachunkenntnisse waren so gut wie ausgeschlossen, denn die auch bei uns durch das Werbefernsehen bekannten Artikel füllten auch hier die Regale. Nur gelegentlich mussten wir im Zweitdruck der schwedischen Sprache nach Orientierung suchen.
Der Korb hatte sich schnell angefüllt. Als ich ihn zum Wagen trug, winkte ich die jüngere Frau nach draußen und machte mit Gesten klar, dass ich noch tanken wollte. Vor dem Kaufhaus, das mitten im Grünen lag, standen die Tanks. Sie öffnete mit einem Schlüssel die Verdeck-Klappe und langte zum Holzgriff. Ich nahm den Schlauch und führte den Zapfhahn in den Tank des Golfs. Die junge Frau bewegte den Pumpschwengel hin und her, während eine veraltete Messuhr die Literanzahl notierte. Schwer atmend kassierte sie, und ich sah, dass zwei Eheringe ihre Hand schmückten.
»Für die ersten Tage reicht es«, sagte Elke lachend und winkte der Frau zu.
Wir lebten ohne Uhr und pendelten bei herrlichem Sommerwetter zwischen unserer Hütte und dem Seeufer hin und her. Das in uns geweckte Gefühl für das Grüne und Weite um uns lockte unser Interesse selbst an den kleinsten Lebewesen hervor, die mit uns das Paradies teilten. Die irrsinnig schnellen Wasserhüpfer zogen in Schwärmen Kreise, schossen im Kampf um Beute aneinander vorbei, ohne sich zu berühren. Ich lag auf dem Bauch, der Steg war nicht sonderlich hoch, und ich beobachtete, wie die wie von Computern gesteuerten kleinen Hüpfer, für die mir kein Name einfiel, ihre Zick-Zack-Ausweichmanöver vollführten. Doch mehr noch interessierte mich der mottenartige, schmetterlingsgroße »Pirat«, der unehrlich und betrügerisch seine Flügel zum Großsegel ausgestellt hatte und sich wie ein winziges Schiff treiben ließ. Die kleinen Insekten, die in ihrer munteren Friedlichkeit jagend und surrend nur knapp über der Wasserfläche flogen, spürten zu spät, dass das treibende Segelboot ein tödliches Luftschiff war. Blitzartig schoss es aus dem Wasser hoch. Dünne, starke Fühler, vergleichbar mit Stahltrossen, legten sich um die Beute, und mit kräftigen Flügelschlägen erhob sich der »Pirat« in die Lüfte, um in etwa drei Metern Höhe sein Opfer zu verzehren.
»Da treibt wieder einer«, sagte Elke, die wie ich auf dem Bauch lag, den Kopf hochgestützt hielt und mit mir das Naturschauspiel beobachtete.
Mich hatte die Biologie nie sonderlich interessiert und mir hatten die Kollegen immer leidgetan, die mit den in meinen Augen langweiligen Stoffen ihre Schüler zu begeistern versuchten. Auch Elke, die sich mit Bilanzanalysen und Investitionsmultiplikatoren beschäftigte, sagte begeistert: »Wenn es nicht um Leben und Tod der Insekten ginge, würde ich die Methode des ›Piraten‹ für ein ausgeklügeltes Marketing halten.«
Doch das Schauspiel, das uns die winzigen Mitbewohner des Paradieses vorführten, sorgte für weitere Steigerungen. Die plumpen Fliegen, die wie kleine Flugzeuge dicht über dem Wasser flogen, bedrängten sich gegenseitig, und hin und wieder sahen wir, wie einige abstürzten und hoffnungslos auf dem See schwimmend um ihr Überleben kämpften. Wie bei einer organisierten Notrettungsstaffel, schossen mutige Fliegen auf das abgestürzte Opfer los, versuchten im Tiefflug mit Stupsbewegungen den gestrandeten Kollegen in eine rettende Startbahn zu steuern, was ihnen zu unserer Verwunderung auch in den meisten Fällen gelang.
Lange schauten wir zu, bis die Schatten der Birken uns die Sonne nahmen. Wir stiegen zur Hütte
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