Boeses Spiel in Oxford
entkommen versuchte.
»Keine Ahnung«, erklärte er. »Warum interessieren Sie sich für sie?«
»Reine Neugier«, antwortete Kate ehrlich.
»Dachte ich mir. Neugier scheint eines Ihrer hervorstechenden Charaktermerkmale zu sein, was allerdings bei einer Schriftstellerin kaum verwunderlich ist.« Mit einem Lächeln nahm Alec Malden seinen Worten die Schärfe, dann verschwand er in der Menge.
Als sie wieder allein war, gestattete Kate sich die Freiheit, die Frau in Schwarz unverhohlen anzustarren. Ihr Hut hatte eine breite Krempe, die tief über eine Hälfte ihres blassen Gesichts mit den stark geschminkten Augen heruntergezogen war. Ja, sie könnte wirklich die Frau aus der Agatha Street sein. Ob es irgendwie möglich war herauszufinden, ob sie ein metallic-blaues Auto fuhr? Kate nippte an ihrem Rotwein (er war zu kalt und zu sauer; außerdem trank sie nicht gern so früh am Tag Alkohol, doch irgendwie hatte sie das Gefühl, sich von Jeremy verabschieden zu müssen) und beobachtete, was sich auf der anderen Seite des Saales abspielte.
Die Frau – die offenbar jünger war, als Kate zunächst angenommen hatte – verfügte über eine recht durchdringende Stimme. Zwar konnte Kate im allgemeinen Gemurmel nicht verstehen, was sie sagte, doch die zwei oder drei Leute, die in ihrer Nähe standen, wichen zurück, als ob die Kraft ihrer Stimmbänder sie davongeweht hätte. Kate schob sich unmerklich vorwärts, wobei sie geschickt dem Blick von Sadie James aus der Entwicklungsabteilung auswich, der ihr Gesicht offenbar bekannt vorkam, die sie aber nicht einzuordnen wusste.
»Sie sollten jetzt besser gehen«, sagte ein Mann zu der Frau in Schwarz. Überrascht stellte Kate fest, dass es sich bei dem Mann um Harry Joiner handelte.
»Hören Sie, ich habe das hier weiß Gott nicht nötig«, zischte die Frau. »Vor allem nicht jetzt.«
»Wurstbrötchen gefällig?« Hinter Kate war eine Kellnerin aufgetaucht.
»Nein!«, fauchte Kate, die befürchtete, noch mehr von der Unterhaltung zu versäumen.
»Sie haben sich mit Malden geeinigt. Es gibt also keinen Grund, länger hierzubleiben.« Harry Joiner sah jetzt überhaupt nicht mehr leutselig aus. Seine Augen waren gerötet, und seine grobporige Wangenhaut wirkte wie eine Orangenschale.
Oh je, dachte Kate, das hört sich aber ganz und gar nicht freundschaftlich an.
Sie blieb hinter einer Gruppe von Männern in Anzügen stehen, spitzte die Ohren in Richtung Joiner und der Frau und beschäftigte sich intensiv mit ihrem Weinglas, um nicht angesprochen zu werden.
»Ich glaube kaum, dass Sie noch mehr Wein trinken sollten«, sagte Harry Joiner gerade. Seine Stimme klang nicht mehr drohend, sondern versuchte zu überzeugen. »Wie wäre es stattdessen mit einem Glas Orangensaft?«
Du versuchst, sie übers Ohr zu hauen – genau wie mich, dachte Kate. Ich erkenne es am Klang deiner Stimme.
»Ich bin nicht betrunken, falls Sie das glauben. Dazu blieb bisher gar keine Zeit.« Doch sie sprach so unsicher, als hätte sie sich vor der Trauerfeier ein paar große Gläser Gin genehmigt, und sie schwankte leicht auf ihren hohen Absätzen. »Außerdem taugt der Saft nichts. Ich trinke ausschließlich Bio-Säfte.«
»Vielleicht sollten Sie Ihre Stimme ein wenig dämpfen. Immerhin befinden wir uns auf einer Trauerfeier.«
»Ich kannte ihn. Er war mein Freund«, verteidigte sich die Frau.
»Er hat nie von Ihnen gesprochen.«
»Wissen Sie eigentlich, wie aggressiv Sie wirken?«
»Dann warten Sie erst einmal ab, bis ich wirklich sauer werde.« Kate stellte fest, dass der väterliche Ton nicht lange angehalten hatte.
»Ich werde genau das tun, was ich für richtig halte. Ich habe lange über die Teilnahme an dieser Feier nachgedacht, und es ist nur recht und billig, dass ich hier bin. Ich habe das Recht dazu, und Sie können mich nicht daran hindern.«
»Gott bewahre mich vor …«
»Interessant, die verschiedenen Varianten des Wortes ›Recht‹. Und sie haben alle ihre Berechtigung, was meinen Sie, Harry?«
Kate blickte auf. Alec Malden hatte sich zu den beiden gesellt und legte in offenbar freundschaftlicher Absicht seine Hand auf den Arm der Frau.
»Es war wirklich ganz besonders nett von Ihnen, Miss Hailey – Sooz –, dass Sie unsere Trauerfeier heute Morgen hier besucht haben, nicht wahr Harry? Aber es war bestimmt auch sehr anstrengend für Sie. Ich habe mir die Freiheit genommen, Ihnen ein Taxi zu rufen, denn sicher müssen Sie zurück an Ihre Arbeit.«
»Sie sollen nicht
Weitere Kostenlose Bücher