Boeses Spiel in Oxford
Außerdem wusste sie nicht, ob sie Goldys Geschichte trauen konnte, und überlegte, ob sie einfach sagen sollte, dass sie dringend wieder an ihre Arbeit musste. Sie konnte natürlich auch durchblicken lassen, dass sie selbstverständlich gern Nachforschungen anstellen würde, allerdings nur gegen ein gesalzenes Honorar. Nein, das wäre dann doch zu unfreundlich. Kate wusste nur allzu gut, dass Bibliothekare nicht gerade üppig verdienten.
»Soll ich uns zum Kaffee ein Stück Kuchen besorgen?«
»Gute Idee.«
13
»Sie haben mich sofort wiedererkannt, nicht wahr?«, fragte Kate, als Goldy mit dem Kaffee zurückkam.
»Stimmt.«
»Und deshalb waren Sie auch sofort bereit, mit mir Mittagessen zu gehen?«
»Die Veranstaltung im Lambs Room fing an, mir ein wenig auf die Nerven zu gehen. Außerdem habe ich mich natürlich gefragt, ob ich Sie dazu bringen könnte, sich um die Vorgänge im Bartlemas zu kümmern. Immerhin haben Sie den Mann gefunden, der Jenna Coates auf dem Gewissen hatte, und Sie haben sich auch nicht von der allgemeinen Annahme blenden lassen, Chris Townsend hätte Selbstmord begangen. Irgendwie scheinen Sie einen Riecher für solche Dinge zu haben.«
Kate bemühte sich, möglichst bescheiden auszusehen und keinen allzu großen Stolz über ihre Begabungen an den Tag zu legen, doch sie konnte nicht anders, als bei so vielen Komplimenten erfreut zu lächeln. »Vielleicht erzählen Sie einfach mal, was Sie über Jeremy wissen und war Ihrer Meinung nach im Bartlemas vorgeht«, sagte sie und versenkte ihre Gabel in einem köstlich cremigen Stück Schokoladenkuchen.
»Jeremy gehörte nicht zur Professorenschaft und hatte daher nur während des Semesters Zugang zum College. Aber auch außerhalb der Semesterferien verbrachte er die meiste Zeit drüben in der Zwiebel. Die Bibliothek benutzte er recht häufig; weniger für seine eigene Arbeit als vielmehr für die Studenten. Er war sehr geschickt darin, die neuesten Ausgaben der benötigten Bücher herauszufinden, und gab mir jedes Jahr im September eine entsprechende Liste, damit wir die Bücher im Regal stehen hatten, wenn das Semester anfing. Wir Bibliothekare freuen uns über solche Unterstützung.«
Kate trank Kaffee und unterbrach Goldy nicht. Vielleicht kam Goldy ja irgendwann auf den Punkt.
»Wie schon gesagt, ich arbeite jetzt seit achtzehn Monaten in diesem College, und seitdem kenne ich auch Jeremy. Ich fand, er wirkte immer ein wenig traurig.«
»In welcher Hinsicht? Meiner Meinung war er nur außergewöhnlich zurückhaltend.«
»Nein, ich meine vor anderthalb Jahren, als wir uns kennen lernten. Damals sah er echt fertig aus. Sie kennen sicher diesen Gammel-Look mancher Akademiker – als würde sich niemand um sie kümmern, als hätten sie keine Zeit für den Friseur und als stammten ihre Klamotten aus der Altkleidersammlung. Man hofft inständig, dass sie nie auf den Gedanken kommen, die Schuhe auszuziehen, weil man den Geruch ihrer Socken wahrscheinlich nicht ertragen würde.«
»Erinnern Sie mich bloß nicht daran – leider weiß ich von solchen Leuten auch ein Lied zu singen.«
»Und dann veränderte er sich plötzlich. Etwa Anfang dieses Jahres. Plötzlich sah er, na ja, irgendwie glatter aus. Zog sich besser an, schien sich besser zu ernähren. Wirkte weniger gehetzt. Bei jedem anderen als Jeremy hätte ich gesagt, dass er unter die Angeber gegangen sei.«
Am liebsten hätte Kate gesagt, dass Goldy sich erst einmal die Ausstattung seiner Wohnung ansehen sollte, doch sie hielt vorsichtshalber den Mund. Goldy Silverman war vielleicht der Meinung, Kate Ivory zu kennen, doch Kate Ivory wusste nichts anderes über Goldy als das, was diese ihr erzählt hatte.
»Vielleicht hatte er eine Frau kennen gelernt«, warf Kate ein. »Die richtige Frau kann einen Mann bis zur Unkenntlichkeit verändern.« Zumindest bestätigten Goldys Beobachtungen die Geschichte, die Jeremy ihr erzählt hatte, und damit brauchte sie dieses Mittagessen nicht als reine Zeitverschwendung zu verbuchen.
»Ich habe ihn danach gefragt.«
»Ach ja?«
»Natürlich auf scherzhafte Weise.«
»Das hat ihm sicher gefallen.«
»Nein wirklich, ich schnitt das Thema ganz locker an, aber er hat alles abgestritten. Er behauptete, sich seit seiner Scheidung von Frauen möglichst fernzuhalten. Seine Zimmerpflanzen wären ihm lieber, erklärte er.«
» Ficus benjamina «, sagte Kate.
»Wie bitte?«
»Ach nichts. Aber es stimmt, er vergötterte seine Pflanzen geradezu. Nur –
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