Boeses Spiel in Oxford
mit ihm zu beschäftigen. Sie traf eine schnelle Entscheidung.
»Hätten Sie Lust, mit mir Mittagessen zu gehen?«
»Prima Idee. Wie wäre es mit einem Sandwich bei Blackwells?«
»Mit einem Caffè latte.« Kate nickte. Eine Frau, die sich ebenso schnell entscheiden konnte wie sie, war ihr grundsätzlich sympathisch.
Sie verabschiedeten sich von Harry Joiner, und Kate lächelte flüchtig den Leuten zu, die sie zwar kannte, mit denen sie sich aber nicht unterhalten wollte.
»Ausgezeichnet«, sagte Goldy, als sie schließlich in der Bartlemas Lane standen. »Ich habe festgestellt, dass Sie das flüchtige Lächeln und ziellose In-die-Gegend-Starren bis zur Perfektion beherrschen. Wie oft hat man mich in die Enge getrieben, ehe ich es endlich fertig brachte, dreinzuschauen wie ein Wesen von einem anderen Stern!«
»Mir gefällt es, wenn die Leute meinen, dass ich in höheren Sphären schwebe.« Kate grinste auf dem Weg über die High Street zum Radcliffe Square. Sie begann, die hochhackigen Schuhe zu verfluchen, aber wenigstens hatte der Regen aufgehört, und ihr Haar lag so elegant, wie es sein sollte.
Nachdem sie ihre Sandwichs ausgewählt und ihren Kaffee in Empfang genommen hatten, fanden sie ein bequemes Sofa an einem freien Tisch am Fenster.
»Ich habe Sie noch gar nicht gefragt, warum Sie zu Jeremys Trauerfeier gekommen sind«, sagte Kate, während sie die Plastikhülle von ihrem Vollkornsandwich mit Hühnchen zog.
»Ich wollte Sie gerade das Gleiche fragen«, entgegnete Goldy und packte ein vegetarisches Pendant aus. »Waren Sie mit ihm befreundet?«
»Er wohnt – wohnte – gleich neben mir.«
»Dann kannten Sie ihn sicher sehr gut.« Goldy biss in ihr Sandwich.
»Das nicht gerade. Ich war einige Zeit nicht zu Hause.«
Goldy hob die Augenbrauen, hatte aber den Mund zu voll, um etwas zu sagen.
Doch Kate war nicht willens, über ihre jüngste Vergangenheit zu plaudern. »Wir haben uns eigentlich erst vor zwei oder drei Wochen richtig kennen gelernt.«
Goldy blickte ein wenig enttäuscht drein, schluckte mühsam ihren Bissen hinunter und sagte: »Dabei hatte ich gehofft, Sie könnten mir ein wenig mehr über ihn erzählen.«
»Genau das hatte ich mir von Ihnen erhofft.«
Beide tranken einen Schluck Kaffee.
»Ist Ihnen eigentlich nicht aufgefallen, dass wir uns kennen?«, fragte Goldy schließlich. »Aber Sie scheinen sich nicht zu erinnern.«
»Wo sollten wir uns kennen gelernt haben?«
»In der Bodleian Bibliothek. Sie haben dort vor einigen Jahren beim Katalogisieren ausgeholfen.«
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Kate. »Ich war damals sehr beschäftigt. Sie haben Recht, ich erinnere mich tatsächlich nicht an Sie.«
»Ich glaube, Sie haben damals für diese komische Einrichtung in St Giles gearbeitet und waren auf der Spur einer Bande, die vorbestellte Bücher stahl.«
»Was Sie da sagen hört sich an wie eine sehr viel interessantere Variante der Geschichte, die ich erlebt habe.« Kate widmete sich wieder ihrem Hühnchen.
»Wissen Sie«, fuhr Goldy fort, »ich habe den Eindruck, dass im Bartlemas so einiges nicht mit rechten Dingen zugeht.«
»Oh nein!«, entgegnete Kate schnell. »Das glaube ich einfach nicht. Als ich zuletzt im Bartlemas gearbeitet habe, gingen dort auch merkwürdige Dinge vor sich. Aber niemand hat es mir gedankt, dass ich herausgefunden habe, um was es ging.«
»Gerade das meine ich ja.« Goldy hatte ihr Sandwich aufgegessen und konnte nun ungehindert sprechen. »Sie wären genau die Richtige, um herauszufinden, was da los ist. Sie haben Spaß daran, Geheimnisse aufzudecken und die Probleme anderer Leute zu lösen, nicht wahr?«
»Nein!«
Goldy kümmerte sich nicht um die ablehnende Antwort. »Eigentlich glaube ich nicht, dass es in diesem Fall um unser College geht, sondern eher um die Leute – ein paar Leute –, die bei uns arbeiten. Ich denke nicht, dass es sich um ein Komplott handelt.« Sie drehte ihre Kaffeetasse und schaute hinein. »Soll ich uns noch einen Kaffee besorgen?«
»Ja gern«, sagte Kate, ehe ihr bewusst wurde, dass sie nun Goldy Silvermans Theorien würde lauschen müssen. Die hellblauen Augen, deren Glitzern Kate inzwischen als Arglist gedeutet hatte, ermüdeten sie langsam. Nun ja, sie war selbst schuld, dass sie mehr über Jeremy hatte wissen wollen, nicht wahr? Und obendrein hatte sie sich eingebildet, sie könne so etwas tun, ohne sich in die Angelegenheit hineinziehen zu lassen – was wirklich ziemlich dämlich von ihr war.
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