Boeses Spiel in Oxford
letzte Satz war ein Fehler gewesen, wie Kate sofort an Emmas jammerndem Protest feststellen konnte.
»Du findest sicher absolut gar nichts«, versicherte sie der Freundin erneut.
»Er ist viel zu schlau, um Beweise zu hinterlassen«, sagte Emma düster.
»Ich traue ihm eher zu, dass er gar nichts zu verbergen hat.«
Zwar war sich Kate durchaus nicht sicher, dass sie Emmas Befürchtungen hatte zerstreuen können, doch sie legte auf, zog sich in die friedliche Stille ihres Arbeitszimmers zurück und hoffte auf eine Stunde ruhiger Arbeit ohne Unterbrechung. Sobald Estelle nämlich aus ihrem rosa Romantiknebel wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehrte, würde sie ein sauber gedrucktes Manuskript auf ihrem Schreibtisch erwarten. Kates Probleme würden sie absolut nicht interessieren, ganz gleich, ob es sich um eine verstörte Freundin oder einen Mord fast vor ihrer Haustür handelte.
Tatsächlich ließ Emma sie einen ganzen Tag lang in Frieden, ehe sie wieder anrief, um vom Ergebnis ihrer Suche zu berichten.
»Ich habe etwas in seiner Sporttasche gefunden«, klagte sie mit Tragödinnenstimme.
»Was denn?«, erkundigte sich Kate.
»Ich bin mir nicht ganz sicher.«
»Könntest du es vielleicht beschreiben?«
»Lieber nicht.«
Offenbar steckten sie in einer Sackgasse.
»Soll ich kommen und es mir ansehen?«
»Nein!«
Kate machte einen weiteren Versuch. »Ist es beschriebenes Papier?«
»Nein.«
»Ist es lebendig?«
»Nicht wirklich.«
»Du bist nicht gerade besonders hilfreich, Emma. Entweder hilfst du mir jetzt auf die Sprünge, oder ich lege auf und schreibe weiter an meinem Buch.«
»Ehrlich gesagt habe ich so ein Ding noch nie gesehen«, sagte Emma vorsichtig. »Es könnte allerdings sein, dass ich schon einmal etwas darüber gelesen habe. In irgendeiner Zeitschrift. Wahrscheinlich war es beim Zahnarzt oder beim Friseur, denn normalerweise lese ich keine Frauenzeitschriften.«
»Emma!« Am liebsten hätte Kate sie angebrüllt, endlich zur Sache zu kommen, doch sie begann zu ahnen, wovon Emma sprach.
»Aber wozu braucht er so ein Ding?«, fragte Emma. Sie klang verletzt.
»Kann es sein, dass wir hier von Erwachsenenspielzeug reden, Emma?«, tastete sich Kate so delikat wie nur eben möglich an die Wahrheit heran. »Sexspielzeug?«
»So könnte man es bezeichnen.«
Kate beschloss, nicht um eine detaillierte Beschreibung zu bitten. Emma war ziemlich prüde, was Kate bei einer Frau, die eine gewisse sexuelle Aktivität an den Tag gelegt haben musste, um so viele Kinder zu bekommen, recht merkwürdig fand.
»Und es ist unglaublich vulgär lila«, rang sich Emma schließlich noch ab.
»Ist deine Beanstandung eher ästhetischer Natur?«
»Nein. So etwas lehne ich aus Prinzip ab!«, ereiferte sich Emma.
»Und was willst du jetzt tun?«
»Keine Ahnung. Schließlich kann ich Sam schlecht darauf ansprechen. Ich wünschte, ich hätte das Ding nie gefunden.«
Kate schloss aus diesem Ausbruch, dass Emma die Schuld an diesem Fiasko wahrscheinlich ihr in die Schuhe schieben würde.
»Ich denke, du hast Recht, Emma«, sagte sie. »Am besten, du vergisst die ganze Sache. Sieh es doch einfach als eine Lebensphase, die Sam durchlaufen muss – wie Nägel knabbern oder Akne.«
»Du redest dummes Zeug«, raunzte Emma, klang aber ein wenig nachgiebiger. Nachdem diplomatisches Schweigen die vorherrschende Kommunikationsform in Sam und Emmas Ehe zu sein schien, nahm Kate an, dass die beiden die kleine Irritation überleben würden, ohne je wieder davon zu sprechen – was auch immer dieses lila Ding sein mochte.
Dennoch konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, Roz von der Geschichte zu erzählen, als sie am Abend mit ihr telefonierte. Eigentlich hatte sie erwartet, mit ihrer Mutter ein wenig darüber kichern zu können, doch Roz schien ausgesprochen zerstreut zu sein und hörte ihrer Tochter kaum zu.
12
Als Kate am Donnerstagmorgen aus ihrem Schlafzimmerfenster blickte, war der Himmel mit düsteren, niedrig treibenden Regenwolken bedeckt. Der Wind rüttelte an den Zweigen der Japanischen Blütenkirschen in der Agatha Street und schickte sich an, die ersten Herbstblätter auf den Bürgersteig zu wehen. Mit anderen Worten: genau das richtige Wetter für Jeremys Trauerfeier.
Kate zog wie geplant das schwarze Kostüm an, entschied sich für ein Paar lange Goldohrringe und schlüpfte in hochhackige, sehr unpraktische schwarze Schuhe. Kurze Zeit später fing es an zu regnen. Ein heftiger Wind peitschte
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