Boeses Spiel in Oxford
gesamten Fahrt in höflichem Schweigen.
Die Druckerei A . L . Grigg and Nephew lag etwa zehn Kilometer vom Bahnhof entfernt in einem kleinen Gewerbegebiet im Süden der Stadt. Kate war sich nicht ganz sicher, was sie erwartet hatte – vielleicht eine kleine, irgendwie altmodische Klitsche, wo sich Männer in Hemdsärmeln und mit grünen Augenschützern liebevoll um surrende Maschinen kümmerten. Sie hatte an Setzkästen gedacht, den Geruch von heißem Metall und Mädchen in weißen Overalls, die bedrucktes Papier in Kartons packten und in die Buchbinderei schickten. Sie wäre auch nicht im Geringsten überrascht gewesen, hätte Owen Grigg sie im Blaumann und mit ölverschmierten Händen und schwarzen Fingernägeln begrüßt. Und wenn das alles schon nicht der Fall war, dann hätte sie zumindest eine Art größere Ausgabe ihres Copy-Shops an der Ecke erwartet.
Aber natürlich war Grigg’s ganz anders.
Zunächst einmal stellte sich die Druckerei als riesengroß heraus – mindestens zehn Mal größer, als Kate gedacht hatte – und äußerst modern.
Sie parkten auf dem Besucherparkplatz. Crispen stieg zuerst aus und half Estelle dabei, sich wieder aus dem Beifahrersitz herauszuschälen. Kate folgte den beiden durch die hohen Glastüren in den riesigen Empfangsbereich. Dezentes Design, gedämpfte Atmosphäre, nichts Aufdringliches, Silber und Anthrazit mit Highlights in Zinnober und einem warmen Braunton. Der Haarschnitt der Empfangsdame, die sie mit einem geschulten Lächeln begrüßte, war womöglich noch teurer als der von Kate.
Die Rezeptionistin säuselte sanfte Worte in ein Telefon, bedachte sie mit einem weiteren Lächeln, bat sie, auf einem der anthrazitfarbenen Sofas Platz zu nehmen und drückte ihnen druckfrische Hochglanzmagazine in die Hand, um ihnen die Wartezeit, bis Owen Grigg höchstselbst mit dem Lift einschwebte, angenehm zu verkürzen.
»Unser guter Mr Grigg scheint ja ganz ordentlich betucht zu sein«, stellte Kate fest. So viel dezent an den Mann gebrachter guter Geschmack weckte ihren natürlichen Widerspruchsgeist.
»Was?« Kate stellte fest, dass Estelle sie überhaupt nicht wahrnahm, sondern vermutlich insgeheim darüber nachdachte, wie sie sich auf möglichst jugendlich wirkende Art von dem niedrigen Sofa erheben sollte. Sie brachte ihre Füße so weit wie möglich unter die Sitzfläche, neigte sich mit bewundernswert gerade gehaltenem Rücken nach vorn und bereitet sich darauf vor, mit einer einzigen Bewegung auf die Beine zu kommen. Na dann viel Glück, dachte Kate, die froh war, nicht so hohe Ansprüche an sich stellen zu müssen. Crispen hatte sich in einen Artikel über Autos vertieft.
Mit einem sanften Seufzen hielt der Lift an, leise glitten die Türen beiseite. Owen Grigg kam auf sie zu.
Estelle kam auf die Füße, ohne auch nur ein bisschen zu schwanken, streckte ihm andeutungsweise die Arme in einer Art verhaltenem Gruß entgegen und schwebte leichtfüßig auf ihn zu. Kate hoffte nur, dass Grigg die vollendete Artistik dieser Vorstellung zu schätzen wusste. Sie und Crispen warteten unterdessen geduldig darauf, dem Druckereibesitzer vorgestellt zu werden.
»Estelle!« Owen brachte einen beidseitigen Händedruck zustande, der Wärme und Vertrautheit ausdrückte, ohne sich zu viel zu vergeben. »Und Sie müssen Kate Ivory sein.« Kate stellte fest, dass er auch in ihre Begrüßung genau das richtige Maß an Herzlichkeit legte. Sie blickte in dunkle Sirup-Augen mit Lachfältchen in den Augenwinkeln. Grigg war jünger, als sie erwartet hatte, und für ihren Geschmack ein wenig zu untersetzt, doch er bewegte sich geschmeidig und trug einen hervorragend geschnittenen, sehr eleganten Anzug. Jetzt konnte Kate verstehen, was Estelle an ihm so bezauberte, und war froh, dass Grigg nicht unbedingt ihrem Typ entsprach. Sie hätte weiß Gott keine Lust gehabt, ausgerechnet mit ihrer Agentin um seine Gunst zu wetteifern.
»Crispen Southmore? Schön, dass Sie mitkommen konnten.« Ein männlicher Handschlag und ein aufrichtiger Augenkontakt sorgten dafür, dass auch Crispen sich wohl fühlte.
»Ich glaube, im kleinen Konferenzraum steht Kaffee für uns bereit«, sagte Owen. »Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise«, fuhr er an Estelle gewandt fort, um gleich darauf Kate anzusprechen: »Uns ist das Privileg vergönnt, Ihre sämtlichen Romane drucken zu dürfen.«
Estelle verschwand für einige Minuten auf der Damentoilette. Als sie zurückkehrte, duftete sie noch teurer als zuvor
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