Boeses Spiel in Oxford
Rektor so abgespeckt hatte, dass er sich wie jeder andere Normalsterbliche ohne Bedienstete zufriedengeben musste.
»Was wollen Sie denn hier?«, fragte er.
»Dürfte ich vielleicht eintreten?« Kate ließ sich durch seinen offenkundigen Mangel an Begeisterung, sie zu sehen, nicht den Wind aus den Segeln nehmen.
»Ehrlich gesagt lieber nicht.«
»Dann müssen wir die Angelegenheit wohl auf der Türschwelle besprechen.« Sie wurde ein wenig lauter. »Ich stehe vor einem Rätsel. Was war in dem Päckchen, das ich im Auftrag von Jeremy Wells an Alec Malden liefern sollte und das Sie beide so interessant fanden, dass Sie es gestohlen haben?«
»Kommen Sie rein«, unterbrach er sie und hielt die Tür gerade weit genug auf, dass sie ins Haus schlüpfen konnte.
Im Innern des Hauses hatte man glücklicherweise auf den süßlichen Kitsch des Äußeren verzichtet. Kate sah viel dunkles, poliertes Holz, weiße Chrysanthemen in blauen und weißen Keramikvasen und Ledermöbel.
»Setzen Sie sich«, sagte Harry Joiner und zeigte auf einen der Ledersessel. Kate folgte seiner Aufforderung und lehnte sich bequem an ein dunkelrotes Samtkissen. »Erwarten Sie vielleicht, dass ich Tee mache?«
»Ich erwarte nur Antworten auf meine Fragen.«
Joiner sah längst nicht so gepflegt und gesund aus wie bei ihrem letzten Zusammentreffen. Seine Haut war blass und fleckig geworden, und um seine Augen lagen Falten und Schatten, die Kate damals noch nicht aufgefallen waren. »Und was ist der Anlass?«
»Vier Morde«, sagte Kate.
»Vier?«
»Tun Sie nicht so, als würden Sie mich nicht verstehen. Als Erstes mussten die Fosters dran glauben, dann hatte Jeremy einen unerklärlichen Autounfall, und zum Schluss ertrank Alec Malden im Kanal. Erwarten Sie wirklich, dass ich da nicht an Mord glaube? Jemand, mit dem die Opfer zu tun hatten – und mit dem auch Sie zu tun haben –, wollte ihnen ans Leder. Ich wurde übrigens auch angegriffen«, setzte sie hinzu. »Wahrscheinlich säße ich jetzt nicht hier, wäre nicht zufällig eine Gruppe japanischer Touristen vorbeigekommen.«
Bei Kates letztem Satz lehnte sich Joiner zurück. Sein Gesicht wirkte, als hätte man die Luft herausgelassen. Plötzlich sah er sehr alt aus.
»Ja«, bestätigte sie und nutzte ihren Vorteil. »Mich haben sie ebenfalls angegriffen. Als Nächstes sind wahrscheinlich Sie dran. Bestimmt haben sie inzwischen herausgefunden, dass Sie mit Alec Malden zusammengearbeitet haben.«
»Nein!«
»Aber das haben Sie! Es lag klar auf der Hand, als ich Sie in Maldens Büro zum ersten Mal gesehen habe, und auch bei Jeremys Trauerfeier war es offensichtlich. Und wenn ich es bemerkt habe, dann dürfte es auch Sooz Hailey nicht entgangen sein. Jeremy hat Alec Malden eine CD zur Aufbewahrung übergeben. Er hatte sich bewusst für Alec entschieden, weil dieser der einzige Mensch auf der Welt war, dem er bedingungslos vertraute. Alec jedoch wusste, wie er Kapital aus der CD schlagen konnte, und Sie beide haben sich zusammengetan, um sich persönlich zu bereichern.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich an der Sache beteiligt bin?«
»Als ich in Maldens Büro kam, waren Sie beide ganz außergewöhnlich freundlich – so freundlich, wie nur zwei Verschworene es sein können. Sie schienen sich über einen Witz zu amüsieren, den sonst keiner mitbekommen hatte.«
Joiner lächelte. Es war ein leichtes, kühles Lächeln, das zwar seine Mundwinkel nach oben bog, aber seine Augen nicht berührte. »Eines kann ich Ihnen versichern, Kate. Sollte es wirklich zutreffen, dass zwischen Alec und mir eine Art Verschwörung existierte – was nicht bedeuten soll, dass es tatsächlich so war, das möchte ich ausdrücklich betonen –, dann wäre ich die treibende Kraft gewesen. Es wäre meine und nicht Alecs Idee gewesen, auch wenn er derjenige war, dem Jeremy vertraute.«
Arroganter Kerl, dachte Kate.
»Aber Sie wissen noch immer nicht, um was es sich eigentlich handelt, nicht wahr?« Jetzt klang er wieder so selbstgefällig wie eh und je.
»Nun, allmählich fange ich an, mir ein Bild zu machen«, sagte Kate zuversichtlicher, als sie sich in Wirklichkeit fühlte. »Ich habe Jeremy im August auf dem Flug von Bordeaux nach Gatwick gesehen. Er fiel mir auf«, erklärte sie streng, »weil er eine Perücke trug …«
»Dieser Dummkopf!«
»Mag schon sein. Aber er hatte Angst, und Menschen tun nun einmal dumme Dinge, wenn sie Angst haben.«
Joiner schlug kurz die Augen nieder, als erinnerte er sich an
Weitere Kostenlose Bücher