Bokeh
Entrinnen, kein Verstecken. Vor ihm bin ich nicht nur äußerlich nackt. Dabei will ich kein Mitleid von ihm. Es gibt nichts zu bemitleiden. Ich will ihn und seine Liebe. Nichts weiter.
Die bekomme ich, denn seine Küsse sind weich und außergewöhnlich zärtlich. Er berührt mich behutsam, beinahe vorsichtig. Ich mag es eigentlich rau, ich mag es direkt, aber was er mir jetzt gibt, ist … neu. Zögernd lasse ich es mir gefallen. Schwanke zwischen Unsicherheit, Ablehnung und Hingabe.
Natürlich habe ich schon anderen Männern die Führung gegeben. Sehr oft sogar. Das war viel leichter. Wenn sie das Gefühl hatten, ich wäre der willige Part und würde brav alles machen, was sie wünschten, dann konnte ich sie dazu bringen, zu tun, was ich wollte. So war es immer. Nur mit Dirk ist es anders.
„Ich bin nicht aus Zucker“, wage ich einzuwerfen. Er soll in mir bloß kein Opfer sehen oder einen Schwächling. Beides bin ich ganz gewiss nicht. „Und ich bin auch keine Frau.“
„Das weiß ich.“ Seine Berührungen bleiben zärtlich. Er erkundet mich, lässt die Finger, diese herrlich langen Finger, über meine Brust und den Bauch gleiten. Ja, noch ein wenig tiefer und jemand würde sich ganz besonders darüber freuen.
„Du wirkst zart und zerbrechlich, doch das bist du nicht. Ganz und gar nicht“, brummt Dirk wohl mehr zu sich. „Wer bist du wirklich?“
Ich antworte nicht. Alles, was herauskommt, ist ein Stöhnen. Seine Frage klang ohnehin eher rhetorisch. Wer soll ich schon sein? Joschi eben.
„Ich glaube, ich möchte es herausfinden“, erklärt Dirk und klingt sehr entschlossen. Wenn er meint, da gibt es so viel herauszufinden … Ich bin nicht besonders geheimnisvoll. Ich lasse mir nur ungern in die Karten gucken. Oder in mein Innerstes. Er wäre der Einzige, dem ich mehr von mir zeigen möchte.
„Ja, ich will herausfinden, wer du wirklich bist.“ Erneut lächelt er. „Ich glaube, das lohnt sich. Ich gehe den Dingen gerne auf den Grund und du … du faszinierst mich schon lange.“
„Beruht dann wohl auf Gegenseitigkeit“, werfe ich ein und rutsche etwas dichter heran, lecke über seinen Hals hoch zum Ohr. „Vielleicht willst du deine Erkundigung dort beginnen?“, raune ich ihm zu und nicke in meinen Schritt, wo sich mein Freund wieder hoffnungsvoller regt.
„Hier?“ Dirks Lächeln geht in ein Schmunzeln über und er stupst meine Eichel nur mit der Fingerspitze an, schließt gleich darauf seine Hand um den Schaft. Oh ja, eindeutig: Er ist kein Anfänger. Ich stelle die Füße auf, sodass er mehr Platz hat. Meine Hoden drücken sich gegen sein schlaffes Glied, und während seine Bewegungen schneller und fester werden, küsse ich alles, was ich von ihm erreichen kann. Seine Nähe erregt mich beinahe mehr als sein Handjob. Es erschien stets so unerreichbar, nur ein Traum und nun …
Mein Orgasmus kommt schnell, ich bin trunken von Dirk, benebelt von allem, was er ist. Keuchend vergrabe ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge, drücke meinen Unterleib noch fester gegen ihn. Lust, Verlangen und Glück mischen sich zu einem köstlichen Cocktail und ja, die Doppeldeutigkeit ist mir durchaus bewusst.
Und wieder ist eine Hand in meinem Rücken, streicht darüber, presst mich gegen ihn. Ich fühle mich geborgen auf eine Weise, die ich ewig vermisst habe.
Oder nie hatte.
Ich weiß es nicht mehr. Es ist auf jeden Fall wunderschön.
Langsam lässt Dirk sich zurücksinken, nimmt mich mit sich auf das Bett. Klebrig, warm und feucht ergänzen wir uns ziemlich gut, bilden eine famose Einheit. Nicht nur im Bett. Ich weiß es ganz genau. Wenn er mir nur die Chance gibt. Sicherlich, jeder von uns hat sein eigenes Leben und wir wissen noch nicht alles voneinander, aber das lässt sich ja ändern. Jetzt, wo ich mich ihm derart ausgeliefert habe, werde ich ganz bestimmt keinen Rückzieher mehr machen.
Aber darüber will ich jetzt nicht nachdenken. Morgen, oder Montag, wenn ich zurückfliege. Bestimmt können wir uns treffen, wenn sein Job hier beendet ist. Und dann? Sex and Love oder umgekehrt. Bei mir, bei ihm. Ich bin keine Klette, ich kann ihm seinen Freiraum lassen. Wenn er mir nur einen Platz in seinem Leben einräumen würde, einen kleinen. Meine Gedanken wandern umher, finden sich zwischen den ganzen Glückshormonen nicht mehr zurecht.
Vielleicht wird Dirk ab und an noch ein paar Titten und eine feuchte Muschi brauchen. Gelegentlich bestimmt. Er ist bi nicht schwul. Ich glaube, damit kann ich leben.
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