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Bokeh

Bokeh

Titel: Bokeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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Vögeln unter der Dusche stand nicht explizit im Vertrag, auch wenn es eine interessante Variante wäre.
    „Ich kenne mich, wenn ich jetzt weiter mache, treiben wir es den ganzen Vormittag und es wird nichts mehr mit den Fotos“, erklärt Dirk, nicht ohne noch einmal seine Hände über meinen Rücken gleiten zu lassen.
    Ich hätte rein gar nichts dagegen, aber okay: machen wir erstmal die Fotos und dann … Da liegt ja noch eine mehrtägige Rückreise vor uns. Andere Hotels - höchstwahrscheinlich komfortabler, da werde ich schon drauf achten - andere Betten, die durchwühlt werden wollen. Was ist schon ein First Class Flug gegen eine Autoreise mit Dirk?
    Er schaut mir bedauerlicherweise nicht beim Duschen zu, entschwindet stattdessen noch einmal in sein Zimmer und duscht dort. Vielleicht auch ganz gut so, sonst hätte ich ihn mit unter das Wasser gezogen und wir hätten den Sonnenaufgang verpasst.
    Wirklich ein sensationeller Sonnenaufgang. Glutrot und golden. Beeindruckend.
    „Wunderschön.“
    Dirk seufzt und ich stimme ihm beim Anblick der aufgehenden Sonne über den Zacken der Gesteinslandschaft zu. Aber vielmehr, weil sein Arm um meine Hüfte liegt und wir tatsächlich, wie ein romantisch verliebtes Pärchen in den Sonnenaufgang starren. Da passt es auch, dass ich den Kopf an seine Schulter lehne und meine Hand auf seinem Hintern ruht. Selten habe ich mich so wohl gefühlt. Herrlich feste Muskeln darunter und ich weiß noch haargenau, wie es sich ohne Stoff dazwischen anfühlt.
    Wunderschön, in der Tat.
    Viel zu schnell erwacht Dirk zu neuem Tatendrang. Logisch, er will das besondere Licht ausnutzen. Er ist Profi durch und durch und, wenn er einmal an einer Sache dran ist, mit voller Leidenschaft dabei.
    So pose ich am heutigen Morgen vor weiteren, genauso grau aussehenden Felsen, lächle heute wahrhaftig völlig ungeschminkt in die Kamera und kämpfe um meine eigene Professionalität. Das liegt nicht daran, dass ich mich ohne jedes Styling vor die Kamera wage. Ihm gefällt es, also auch mir. Es fällt mir allerdings unsagbar schwer, ihn nicht jedes Mal mit demselben verklärten Lächeln anzusehen.
    Wo ist sie hin, meine Beherrschung? Ich sehe ihn immerzu an, der mit seiner Kamera den besten Standort und Blickwinkel sucht. Ich bemerke ständig neue Sachen an ihm: wie er sich bewegt, wie seine Armmuskeln spielen, wie der Wind an seinen Haaren zerrt, die Sonne sie rot aufleuchten lässt, und kann den Blick kaum lösen.
    „Joschi ...“ Tadelnd schüttelt Dirk mal wieder den Kopf, weil ich ihn zu sehr anschmachte, und grinst. Ihm fällt es offensichtlich auch nicht so leicht. „Schau nicht mich an. Schau in die Kamera“, ermahnt er mich. Sehr witzig, das versuche ich ja, stelle mich heute aber wie ein totaler Anfänger an.
    Seufzend streiche ich mir die Haare zurück und blinzle in das Sonnenlicht. Dies ist deine Arbeit. Eine Kamera ist auf dich gerichtet, agiere, posiere, mach deinen Job wie immer. Und schau ihn nicht mehr an.
    Aber … verdammt das ist echt schwer. Daran habe ich nie gedacht. Mir war nicht bewusst, dass mein Verliebtsein ein Handicap für uns darstellen könnte.
    Ich ärgere mich total über mich selbst. Ich behindere seine Arbeit, mache ihm die Bilder und den Auftrag kaputt, nur weil ich meine Gefühle nicht mehr im Griff habe. Reiß dich endlich zusammen, Joschi. Dirk soll nicht enttäuscht von dir sein.
    „Tut mir leid“, murmel ich und versuche es erneut. Junger Naturbursche lehnt sich gegen kahlen Fels, genießt die Morgensonne, räkelt sich und denkt an … an … heiße Haut, raue Wangen, Lippen, die … Oh Shit.
    Entnervt schnaubt Dirk auf. Mist, ich bin echt mies. Gleich wird er mich anschnauzen und völlig zurecht sauer sein. Ich verderbe es mir mit ihm gleich am ersten Tag. Großartiger Anfang.
    „So wird das nichts.“ Dirk flucht vor sich hin und starrt missmutig auf das Display seiner Kamera, während er näher kommt. Unwillkürlich sacke ich in mich zusammen.
    Schöner Scheiß, warum habe ich mich nicht besser im Griff? So lange Zeit konnte ich meine wahren Gefühle verbergen und es hat prima geklappt und jetzt mache ich alles zunichte.
    Mit einem geräuschvollen Ausatmen lässt sich Dirk neben mich gegen die Felsen sinken. Ich hätte jetzt eigentlich einen seiner berühmten Wutanfälle erwartet. Wenn sie nicht mir galten, war es immer spannend zuzusehen. Ich wage es nicht ihn anzusehen, komme mir ziemlich dumm und unfähig vor. Das passiert sehr selten. Eigentlich nie.

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