Bold, Emely
Sean zur Fahrerseite und pfiff fröhlich eine Melodie vor sich hin. Ihm schien es bestens zu gehen und der mörderische Ausdruck in Paytons Blick beunruhigte ihn offensichtlich nicht im geringsten. Wir fuhren nach Inverness, um dort ein Eis zu essen. Schon während der Fahrt fragte mich Sean ungeniert aus. Es fiel mir unglaublich leicht, mit ihm zu lachen, denn er nahm einfach nichts ernst. Für seine fünfundzwanzig Jahre war er ein rechter Kindskopf.
„Aber Sam, mal ehrlich, warum kommst du von so weit her, um dann deine Freizeit mit meinem Bruder zu verbringen? Du musst doch eine wahnsinnige Auswahl haben, also warum er?“
Beinahe jeder seiner Sätze war so zweideutig. Wollte er mich etwa anmachen?
„Ähm, also ehrlich gesagt, so groß ist die Auswahl nun auch nicht, und Payton ist wirklich sehr unterhaltsam, wenn er sich nicht gerade wie ein Idiot aufführt.“
Ein grunzender Laut vom Beifahrersitz zeigte mir, dass Payton zugehört hatte und nun zwinkerte ich Sean zu, der mich im Rückspiegel beobachtete. Ich hatte beschlossen, dass Payton ruhig noch etwas schmoren konnte, weil er sich so unmöglich benommen hatte. Da kam mir Sean gerade recht. Er schien großen Spaß daran zu finden, Payton zu ärgern und als wir schließlich in eine Parklücke einbogen, war dessen Stimmung wirklich im Keller. Wir schlenderten durch die Stadt und irgendwie schaffte es Sean, sich immer zwischen mich und Payton zu schieben.
„Was möchtest du den nun unternehmen, du süße Maus?“, fragte Sean und griff nach meiner Hand.
„Shopping, Eis essen oder irgend etwas anderes?“
Ich warf einen Hilfe suchenden Blick über die Schulter, doch von Payton war in dieser Hinsicht nichts zu erwarten. Natürlich wusste ich, dass Sean ihn nur aufziehen wollte, und ich mich eigentlich auch etwas rächen wollte, doch Payton sah wirklich unglücklich aus. Ich brauchte kurz Zeit, um mir zu überlegen, was ich tun sollte.
„Ähm, zuerst müsste ich für kleine Mädchen. Und zwar dringend!“
Ein nahegelegenes Schnellrestaurant wurde dazu erkoren, mir dieses Bedürfnis zu erfüllen.
„Wir warten hier auf dich.“, grummelte Payton, als sich die Eingangstüren automatisch vor uns aufschoben.
Ich trat ein und war plötzlich sehr erleichtert, den beiden einen Moment entkommen zu sein. Ich war einfach ein schlechter Lügner. Natürlich hatte mich Paytons Verhalten geärgert, doch eigentlich wollte ich mich ihm am liebsten in die Arme werfen, und stattdessen stichelte ich ständig in seine Richtung. Das würde die Kluft zwischen uns bestimmt nicht kleiner machen. Doch andererseits war Sean wirklich witzig und ich wollte auch ihn nicht vor den Kopf stoßen. Als ich wieder zu den beiden zurückkehrte, hatte ich etwas Ordnung in meine wirren Gefühle gebracht. Durch die Glastür konnte ich sehen, wie sich die Zwei angriffslustig gegenüberstanden und dabei heftig diskutierten. Ich fühlte mich leicht unwohl bei dem Gedanken, ich könnte der Grund dafür sein.
„Hallo Jungs, da bin ich wieder!“, trällerte ich um Fröhlichkeit bemüht.
Sofort lächelten beide und diesmal war es Payton, der besitzergreifend seinen Arm um mich legte. Er wirkte zwar mehr als nur ein bisschen angespannt, doch seine Hand streichelte zärtlich über meinen Oberarm.
„Wir beide essen jetzt ein Eis, während Sean einige Dinge erledigt. Danach treffen wir uns wieder.“
Das überraschte mich, denn Sean hatte bisher mit keinem Wort erwähnt, dass er etwas zu erledigen hatte. Ich sah ihn fragend an und er lächelte entschuldigend.
„Sorry, das hatte ich total vergessen, aber wir können ja ein anderes Mal zusammen Eis essen. Ihr werdet schon ohne mich klarkommen.“
Lässig warf er mir eine Kusshand zu und schlenderte in Richtung Zentrum davon. Payton schob mich in die entgegengesetzte Richtung. Schweigend gingen wir nebeneinander her. Links vor uns thronte das Castle auf einem Hügel. Payton kaufte uns bei einem Straßenhändler ein Eis. Ich entschied mich für eine Kugel Schokolade und eine Kugel Zitrone, während Payton Waldmeister bevorzugte. Anschließend schlenderten wir weiter Richtung Burg, die Castle Road hinab. Links von uns die sandsteinfarbene Festung und rechts das Ufer des Mündungsarmes des Morray Firth. Wir setzten uns am Ufer auf eine Bank und schleckten schweigend unser Eis.
„Sam, ich wollte mich noch einmal bei dir entschuldigen. Was dich angeht, bin ich einfach nicht mehr ich selbst.“
Er hatte den Blick auf den Fluss gerichtet. Ich
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