Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)

Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)

Titel: Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanie McDonell
Vom Netzwerk:
er sich hinsetzte. »Du oder dieser Bursche im Krankenhaus. Wenn diese Frau eine Gehirnerschütterung hat, hätte sie dortbleiben sollen.«
    »Selbst in der Psychiatrie?«, fragte ich und ließ mich ihm gegenüber nieder.
    »Ja«, erwiderte er. »Sie sind überarbeitet und unterbesetzt, wie überall, aber sie sind keine Barbaren.«
    Ich wollte mich nicht weiter mit ihm über das Chlorpromazin auslassen. Bestimmt wäre auch er der Ansicht, dass es des Guten etwas zu viel wäre, aber wir kämen vom Thema ab, also sagte ich nichts.
    »Es ist unwahrscheinlich«, fuhr Sloane fort, »aber eine Person kann sterben, wenn die Gehirnerschütterung schwer ist und der Zustand unbeachtet bleibt.«
    »Sie wird nicht sterben«, sagte ich.
    »Wenn du dir da so sicher bist, warum hast du mich dann aus dem warmen Bett geholt?«
    »Na ja, vielleicht bin ich gar nicht so sicher.«
    »Ehrlich, Nick«, sagte Sloane. »Ich versteh das nicht.«
    Die Tänzerin hatte ein gutes Gefühl fürs Timing, weil sie genau in diesem Moment in der Tür erschien und mich so davor bewahrte, mir einen Vortrag über meine unterentwickelten Fähigkeiten zur Risikoeinschätzung anhören zu müssen.
    Das Haar, nach wie vor feucht vom Duschen, hatte sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zurückgekämmt, und sie trug Rues schwarzen Pullover, der ihr viel zu weit war. Die schwarzen Hosen hatte sie hochgekrempelt.
    Sloane, der zuallererst einmal über eine Ausbildung und Praxis als Psychiater verfügte, war gut darin, einen gleichmütigen Ausdruck zu zeigen, aber bei ihrem Anblick öffneten sich seine Augen, und ich vernahm ein fast unhörbares Aufkeuchen.
    »Jetzt versteh ich es«, sagte er leise und erhob sich.
    »Das ist nicht der Grund«, murmelte ich und erhob mich gleichfalls.
    »›O rechtet nicht, was nötig!‹«, flüsterte Sloane mit einem Blick auf die von hinten erhellte Tänzerin im Türrahmen. »König Lear. Zweiter Akt. Vierte Szene. Schlag’s nach!«
    Dann ging er zu ihr.
    »Kommen Sie rein, kommen Sie rein, meine Liebe«, sagte er. »Ich bin Edward Sloane. Wir habe gerade über Shakespeare gesprochen.«
    »Shakespeare«, sagte die Tänzerin und hielt einige Herzschläge lang inne. »Ich muss immerzu an Rosalind denken.«
    »Na ja«, meinte Sloane. »Sie sind also eine Ballerina. Vielleicht waren Sie die Rosalind in
Wie es euch gefällt.
Im Ballett, nicht im Schauspiel.«
    »Könnte das Ihr Name sein?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie kopfschüttelnd.
    »Keine Bange«, sagte Sloane. »Sie kennen Nickys Namen. Und meinen. Bald werden Sie sich an Ihren erinnern.«
    »Nicky«, sagte sie mit dem Anflug eines Lächelns.
    »Das bin ich«, sagte ich.
    »Schmerzt Ihnen der Kopf?«, fragte Sloane.
    »Wird schon wieder«, erwiderte sie.
    »Und Ihr Rücken?«, fragte er weiter.
    »Er schmerzt«, entgegnete sie. »Ich weiß nicht, wie viele Stiche ich habe, aber auch das wird schon wieder werden.«
    Mir fiel meine Freundin Allegra Trent vom American Ballet Theatre ein, die immer wieder davon erzählt hatte, wie Tänzer mit dem Schmerz lebten. Jeder Tänzer, jeden Tag. Wahrscheinlich hätte sie diese Ballerina wiedererkannt, aber ich hatte gehört, dass Allegra dem Schmerz nachgegeben und sich in irgendein entferntes Kloster in Thailand zurückgezogen hat. Ich hatte gehört, sie sei auf der Suche nach Frieden. Wahrscheinlicher nach Opium. Aber ich bin der Letzte, der darüber ein Urteil fällen will.
    »Nick«, sagte Sloane. »Gibt’s in diesem Raum irgendwelche Lampen? Ich werde zu alt, um beim Feuerschein noch etwas erkennen zu können … obwohl er wunderbar ist.«
    »Allerdings«, sagte das Mädchen und blickte mit ihren dunkellila Augen auf. »Wirklich.«
    Ich nickte. Ich würde dem Mädchen helfen, in ihr richtiges Leben zurückzukehren, und zwar so schnell wie möglich. Ich wollte in der Bibliothek bleiben, aber nachdem ich umhergegangen und die Lampen angedreht hatte, entschuldigte ich mich und ging zu Meriwether in die Küche.
    Als ich Meriwether vor zehn Jahren kennenlernte, war ich ein Drogensüchtiger, ein Spieler und ein kleiner Dieb. Und mir blieb keine Zeit mehr. Ich war unterwegs, meinen Problemen ein Ende zu setzen, bevor das jemand anders für mich erledigen und mir bei dem Vorgang extreme Schmerzen zufügen würde.
    Ich war einigen Burschen viel Geld schuldig, die die Antwort »noch nicht« nicht gelten ließen, und ich war völlig abgebrannt. Ich hatte nicht mal das Geld für die U-Bahn, und ich wollte als meine letzte

Weitere Kostenlose Bücher