Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
sich von der Tänzerin abgerieben haben und stammte aus einer der großen Tüten in dem Vorratsschränkchen. Ich legte mir die Hand aufs Herz, spürte das glatte Pulver und versuchte zu fühlen, wo sie gewesen war.
»He, bist du noch dran?«, fragte Fallon.
»Ja«, entgegnete ich. »Ich bin hier.«
»Er war der Bursche, der dich angerufen hat, stimmt’s?«
Ich erinnerte mich daran, wie Greenburg ängstlich gesagt hatte, er könne ziemlich in Schwierigkeiten kommen, wenn er der Tänzerin bei der Flucht aus dem Krankenhaus helfen würde …
»Nick«, fuhr Fallon fort, »hörst du mir eigentlich zu, verdammt?«
Ich wusste, dass das Bellevue in seiner Jurisdiktion lag. Manhattan South.
»Ja, das war der Bursche«, sagte ich. »Was ist passiert?«
»Das sag’ ich dir, wenn wir uns treffen. Ich möchte, dass du herkommst.«
»Warum?«
»Weil da noch mehr ist. Viel mehr. Und bring das Mädchen mit.«
»Sie kann sich an nichts erinnern«, sagte ich.
»Vielleicht wird etwas ihr Gedächtnis auf Trab bringen.«
»Das bezweifle ich.«
»Sieh mal«, sagte er, »dieser Mord wird für gewaltig viel Wirbel sorgen. Wir glauben, dass deine Tänzerin mit mehr verbunden ist als dem Überfall – und mit mehr als dem Jungen, der umgebracht wurde.«
»Ich höre«, sagte ich.
»Tu mir bloß einen Gefallen und bring sie her«, sagte Fallon. »Wie lang wird das brauchen?«
»Die
Gwinnett
ist hinüber – ich muss mit dem Auto fahren.«
»Also?«, fragte er. »Wann bist du hier?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich und schaltete ab.
Fallon und ich arbeiten gewöhnlich nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Wenn mich ein Fall zum NYPD führt, ist er nicht bloß mein Kontaktmann und meine etwas inoffizielle Rückendeckung, sondern er bringt mich auch auf die Schnellspur zu Informationen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, auch nicht Privatdetektiven.
Ironischerweise tue ich dasselbe für ihn – mit Informationen, die den meisten Polizeibeamten nicht zugänglich sind. Es fällt schwer zu glauben, dass die New Yorker Polizei nicht über dieselben Ressourcen verfügt wie ich. Offensichtlich haben sie keinen Meriwether. Sie haben ebenfalls keinen Zugang (wie wir, dank eines Geschenks von Sloane) zu einigen der ausgedehnten Sucharchive, die Anwaltsbüros, Zeitungsherausgeber und Universitäten abonnieren. Datenbanken in den Tiefen des Webs sind kostspielig, aber wenn man glaubt, das NYPD – vom elitären Puzzle Palace, dem Hauptquartier, einmal abgesehen – wäre das Erste in der Schlange mit dem Bedürfnis und entsprechendem Budget, so irrt man sich. Fallon sagt, das Department vertraut den meisten Polizisten bei gewissen sensiblen Informationen nicht – wie zum Beispiel bei Kreditkartennummern.
Bevor ich zu den Leuten mit Schlafentzug und den Verwundeten zurückkehrte, ging ich in meinen eigenen Raum und nahmeine dreiminütige Dusche. Obwohl ich mich nicht besser fühlte, sah ich Dank einer Dusche, einer Rasur und sauberer Kleidung besser aus, und das war schon mal keine schlechte Sache.
Meriwether, die Tänzerin und Sloane saßen in der Küche an dem Shaker-Tisch, und Sloanes verbundener rechter Arm ruhte auf einem zusammengerollten Handtuch. Den gesunden Arm hatte er um die Schultern der Tänzerin gelegt. Und Meriwether – der unausweichlich aus jedem Raum verschwand, nur um sogar dem kürzesten obligatorischen Handschlag mit einem neuen Mandanten oder Gast zu entgehen – hielt ihr die Hand.
Ich sagte nicht, weshalb ich in die Stadt fuhr, weil ich der Tänzerin die Geschichte mit Greenburg nicht erzählen wollte – zumindest noch nicht. Außerdem hatte ich nicht die Absicht, sie nach Manhattan South mitzunehmen. Fallon müsste sich einfach mit mir zufriedengeben. Es war schwer abzuschätzen, wie angesäuert er sein würde. Seine Stimmung ließ sich unmöglich vorhersagen, wie alles Übrige an ihm – außer, dass der Job erledigt wurde. Das war immer der Fall, und deswegen wurde er vor Jahren auch nicht aus dem Polizeidienst hinausgeworfen.
Meriwether reichte mir die Kugel, die er aus Sloanes Wand herausgegraben hatte. Trotz seiner fast übernatürlichen Fähigkeit, mehrere Aufgaben zugleich zu erledigen, hatte er noch keine Zeit gehabt, die Benzinleitung der
Gwinnett
zu flicken.
Ich fragte Sloane, ob ich mir den Mercedes borgen könne, und er war einverstanden, ohne groß zu zögern.
»Übrigens, ich erwarte von dir, mir den Schlafanzug zu ersetzen«, fügte er hinzu,
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