Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
Liebesgeschichte wäre. Es wäre das Ende von etwas. Es wäre das Ende von Rue. Und das Ende des separaten Friedens, den ich mit mir geschlossen hatte.
Vorsichtig schob ich sie weg. Aber selbst dabei wusste ich, dass ich mich stets daran erinnern würde, wie gut ihr Leib an den meinen passte, dass ich mich an ihre Hand auf meiner Wange erinnern würde, an ihre violetten Augen und das lange zerzauste Haar. Es gäbe nie einen anderen Geruch als den Duft ihres Haares an diesem Morgen.
Ich zog ein Handtuch aus einer Schublade gleich neben der Spüle, ließ kaltes Wasser darüberlaufen und tupfte ihr das Blut an der Stirn ab. Da kamen Sloane und Meriwether herein.
»Sie sind verletzt!«, sagte Meriwether, der sich nie erschrecken ließ.
»Mir geht’s gut, Meriwether«, sagte die Tänzerin. »Ich habe mich versteckt.«
»Mein liebes Mädchen«, sagte Sloane, »was ist geschehen? Lassen Sie mich einen Blick draufwerfen!«
Der Ärmel seines Morgenmantels – so nennt er seinen Bademantel – war aufgerollt und zeigte einen Verband.
»Wirklich, mir geht’s gut«, sagte die Tänzerin. »Aber was ist mit Ihnen? Was ist mit Ihrem Arm passiert?
»Setzen wir uns doch«, schlug Sloane vor, der auf einmal erschöpft klang.
Er ging zu einem der Stühle neben dem in Canterbury handgefertigten Shaker-Tisch und ließ sich schwer darauffallen. Ich hatte gesagt, dass ich diesen Tisch nicht wollte, weil er zu wertvoll für die Schute sei, aber er hatte darauf bestanden, ihn in die Küche zu stellen.
Eines Abends, einige Wochen, nachdem der Tisch eingetroffen war, hatte ich dort mit ihm gesessen und eine Flasche seines Château Mouton Rotschild Bordeaux getrunken.
Ich streite nicht mit Sloane, also sage ich, wir sprachen darüber, dass ich den Tisch nicht wollte.
Mitten im Gespräch stieß Sloane beiläufig sein Weinglas um. Daraufhin wischte er den Tisch beiläufig ab. Er sagte, er sei dazu gedacht, benutzt zu werden, also könne ich ebenfalls anfangen, ihn zu benutzen, da ich ihn sowieso erben würde, wie auch alles Übrige in seinem Besitz. Weil ich ihm, wie er ruhig erklärte, so nahe wie ein Sohn sei, wenn er je einen gehabt hätte.
Einen Moment herrschte Schweigen, da keiner von uns beiden sentimental ist und ich nie etwas erwartet hätte, obwohl Sloane keine Familie hat. Er sitzt im Vorstand so vieler Wohltätigkeitsinstitutionen, dass ich, wenn ich je daran gedacht hatte, davon ausgegangen war, sein Geld würde in jene Krankenhäuser und Forschungszentren fließen, dazu gäbe es noch etwas für die Schwestern.
»Na ja, Edward«, sagte ich, »die Überlegung weiß ich zu schätzen, aber ich bin mir sicher, dass du mich überlebst.«
»Stimmt schon«, sagte er. »Das liegt eindeutig im Bereich des Möglichen. Und in diesem Fall wird der Tisch an das Memorial Sloan-Kettering Krebsforschungszentrum gehen. Um zusätzlichen Papierkram zu vermeiden, steht das bereits in meinem Testament. Wer weiß, vielleicht bin ich ein dementer Invalide, wenn du vor mir stirbst.«
»Du hast das in dein Testament geschrieben?«, fragte ich. »Du glaubst wirklich, dass ich vor dir gehe?«
»Nein, Nick, nicht wirklich«, hatte Sloane erwidert. »Aber du bist nach wie vor leichtsinnig. Äußerst leichtsinnig. Du trinkst zu viel, und du bringst dich selbst in die Schusslinie. Und das nicht, weil du glaubst, kugelfest zu sein. Tatsächlich völlig im Gegenteil.«
»Ein Todeswunsch, Edward«, sagte ich. »Das ist Küchen-Psychologie – unter deiner Würde.«
»Deshalb ist es noch lange nicht falsch«, sagte er. »Oder? Du bist zu alt, um bis an die Grenzen zu gehen – oder was du sonst tun magst.«
»Das stimmt nicht«, sagte ich. Und wurde wütend. Wir hatten früher schon in diesen Gewässern gesegelt, und mir gefielen sie nicht.
»Du musst dich von Julia verabschieden«, fuhr er fort. »Du kannst nicht erwarten, jemals Frieden zu finden, bevor du sie loslässt.«
»Geh zum Teufel, Edward – ich habe sie am Tag ihres Todes losgelassen!«
Offensichtlich hatte er bei mir auf einen Nerv getroffen, weil ich nie zuvor in diesem Ton zu ihm gesprochen hatte. Sogleich entschuldigte ich mich, und er nahm die Entschuldigung an. Der Tisch blieb, und er erwähnte Julia nie wieder. Bis zu der Nacht des Unwetters, als er der Tänzerin begegnete.
»Sagen Sie mir, was mit Ihnen passiert ist!«, forderte Sloane die Tänzerin nach einem genaueren Blick auf die frische Schnittwunde an der Stirn und die Beule auf, die sich darum herum
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