Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
ein paar Leute, denen es nichts ausmachen würde, mir was anzutun.«
»Wer würde Ihnen was antun?«, fragte sie.
Ich lachte. Die Spannung löste sich.
»Die schlimmen Jungs«, erwiderte ich.
»Ernsthaft?«
»Ja«, sagte ich. »Ernsthaft schlimme Jungs.«
»Was ist mit schlimmen Mädchen?«, fragte sie.
»Das wären die guten Mädchen.«
Ich glaube, sie lächelte, bevor sie sich abwandte und zum Fenster hinausblickte, wo ein starker Wind den Regen waagerecht vor sich herblies.
»Ich glaube, Sie sollten abwarten, bis der Regen aufhört«, sagte sie.
»Er wird nicht aufhören.«
»Sie meinen, niemals?«
»Nein«, sagte ich. »Ich meine, er wird nicht so bald aufhören.«
»Bitte, bleiben Sie bei mir!«, bat sie.
Ich sagte ihr, sie sei bei Meriwether und Sloane in guten Händen, und binnen fünf Minuten war ich wieder draußen im Sturm. Mir missfielen die heftigen Regengüsse auf dem Strand. Mir missfiel der Schlamm auf dem Weg zu Pauline Prochevskys Garage. Mir missfiel, wie ich mich fühlte, als ich mir ins Gedächtnis zurückzurufen versuchte, wann genau alles anfing: im Krankenhaus, auf der
Gwinnett
oder als die Lichter erloschen. Die kitzelnde Feder der Furcht um die Tänzerin in meinem Kopf.
Bislang hatte sie einen mürrischen Inselbegabten und einen homosexuellen Psychiater in ihren Bann gezogen, die
Dumb Luck
war überfallen worden und Justin Greenburg war tot.
Zum Glück sah mich Pauline nicht ins Haus kommen, also bestand keine Notwendigkeit für Small Talk. Und ich würde ihreine neue
New York Post
mitbringen, die ich in ihrer Plastikhülle von den Verandastufen hatte mitgehen lassen.
Sloanes Hälfte der Garage war makellos sauber und barg nichts außer seinem perfekt in Schuss gehaltenen schokoladenbraunen Mercedes. Der war nicht so alt wie sein Besitzer, aber er war alt, und ich hoffte, die Bremsen würden intakt bleiben, wenn es durch tiefe Wasserpfützen ging, außerdem über all die Straßen vor und nach dem Lincoln-Tunnel, die einer Reparatur bedurft hätten.
Ich setzte den Mercedes rückwärts aus der Garage und rief Meriwether an, um ihm zu sagen, wohin ich fuhr.
»Ich sag’s Edward«, erwiderte er. »Er ist immer noch mit ihr in der Küche. Sie trinken ihren Tee aus. Ich bin draußen vor ihrer Tür, sobald sie wieder ins Gästezimmer zurückkehrt.«
»Versuchst du rauszufinden, wer sie ist?«, fragte ich.
»Noch nicht.«
»Könntest du es jetzt tun?«, fragte ich und wartete. »Meriwether?«
»Natürlich.«
»Sie muss weg«, sagte ich.
»Ich weiß.«
13
Der Verkehr in und um New York City wird schlimm, wenn es heiß ist, schlimm, wenn es kalt ist und noch schlimmer, wenn es regnet, insbesondere während der Rushhour. Die gerade begann, als ich den Lincoln-Tunnel erreicht hatte und entdeckte, dass die Wagen zuerst krochen und dann stillstanden.
Zeit, sich bei den Nachrichten auf den neuesten Stand zu bringen. Während ich die Kunststoffhülle von der
Post
herabriss, entschloss ich mich, Pauline eine Schachtel Pralinen als Wiedergutmachung fürs Stibitzen mitzubringen.
Ein Foto des Bürgermeisters und des Polizeichefs, wie sie die Hände schüttelten, füllte die gesamte Titelseite. Die nette Schlagzeile lautete: NUMMER EINS OHNE EINE KUGEL, und dem Artikel zufolge war New York jetzt die sicherste Stadt Amerikas.
Darüber wüsste Portland, Oregon, wahrscheinlich etwas zu sagen, aber es existierte keine Definition von
Stadt
, und es gab nichts Genaueres, was die Behauptung stützte, als »kürzliche Umfragen« und »neueste Überwachungen«. Warum nicht alles drucken, was sich nur irgendwie gut anhörte? Dieses Zeug war für kurze Aufmerksamkeitsspannen gedacht, die umso kürzer wurden, je höher die Temperatur stieg.
Und New York war in den letzten Jahren tatsächlich wesentlich sicherer geworden. Aber sagen Sie das mal einer Person, die fürimmer eine hässliche Narbe in Form der Zahl 44 auf dem Rücken tragen würde.
Nach weiteren zehn Minuten rief ich wiederum bei Meriwether an, der nicht allzu freundlich sagte, dass seit meinem letzten Anruf alles unverändert geblieben sei. Er saß mit seinem Laptop draußen vor dem Gästezimmer. Die Tänzerin ruhte sich aus, und Sloane schlief.
Ich bin nicht gut darin, einfach nur herumzusitzen. Dann kehrt so langsam alles zurück; und weil ich lieber meine Gedanken beherrsche und nicht umgekehrt, war ich nicht bereit für die Erinnerung an die Drehungen und Wendungen meines Lebens, die zu der Tänzerin geführt hatten.
Es ist
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