Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
Rücken«, entgegnete er. »Sehr kunstvoll eingeritzt – verdammt – he …«
Ein Wagen hatte versucht, sich vor ihn zu setzen. Der schwarze Impala ist nicht als Polizeiwagen markiert, also wissen es die Leute nicht besser. Wahrscheinlich wäre es so oder so egal – New Yorker fahren nicht mal mehr für Krankenwagen zur Seite.
Fallon brüllte etwas aus dem Fenster, um Luft abzulassen, also nahm Goode den Faden der Geschichte auf.
»Sechs Monate nach dem Opfer von Staten Island, das Tanzlehrerin war …«
»Du hast den Vorspann gekippt«, sagte ich.
»Ja, nun, ich komme schon noch zur Sache. Sie war Tänzerin«, sagte Goode. »Sie hat kleinen Kindern das Tanzen beigebracht.«
»Dann ist Hirsh in die 231 nach Bronx umgezogen«, sagte Fallon, wieder im Gespräch zurück.
»Warum ist Hirsh in die Bronx gezogen?«, fragte ich. »Wen hat er angepinkelt?«
»Niemanden«, entgegnete Fallon. »Nicht Hirsh. Ich glaube, er hat im ganzen Leben niemanden angepinkelt. Sie wollten ihn, weil die Projekte in einem derart schlimmen Zustand waren und immer schlimmer wurden – es war eine kurzfristige Entscheidung, und er ist hin, weil sie ihn auf die Liste des Captains gesetzt haben.«
Niemand würde je freiwillig von Staten Island in die Bronx umziehen, wenn da nicht ein Anreiz wäre, wie zum Beispiel eine Beförderung in naher Zukunft, und das bedeutete die Aufnahme in die Liste des Captains.
»In seiner ersten Nacht im Dienst«, fuhr Fallon fort, »wurde eine junge Dominikanerin tot aufgefunden, der jemand die Zahl 44 in den Rücken geritzt hatte. Sie war Tänzerin in einem Stripclub gewesen. Die ganze Sache glich exakt dem Mord auf Staten Island. Kein Raub. Keine Vergewaltigung, was für beide dieserMorde ungewöhnlich war. Auch keine Zeugen. Nichts. Hirsh hat mich vom Tatort aus angerufen …«
Fallon hörte auf zu sprechen, und das Schweigen im Wagen war fast mit Händen zu greifen.
»Und?«, fragte ich.
»Ja«, sagte Goode, »also …«
Weiteres Schweigen.
»Red weiter«, sagte Fallon. »Sag ihm, was passiert ist.«
»Fällt schwer«, sagte sie leise und blickte auf ihre Hände hinab.
Dann sah ich etwas, das ich nie bei ihr erwartet hätte. Tränen.
17
»Hirsh ist in jener Nacht getötet worden«, sagte Fallon. »Auf dem Heimweg ist er bei einer Drogerie vorbeigegangen, um etwas Hustensaft für sein Kind zu besorgen, und ist in einen Raubüberfall geraten. Hat versucht, ihn zu verhindern, und ein Drogensüchtiger hat ihn erschossen.«
»In Queens«, erinnerte ich mich. »Ich hab davon gehört. Du hast nie ein Wort darüber gesagt.«
»Was gibt’s da auch zu sagen?«, fragte Fallon mit rauer Stimme.
Er hatte recht. Was gibt’s da auch zu sagen.
»Also«, fuhr Fallon fort, »ist der Papierkram für die beiden Morde irgendwie nicht richtig gelaufen. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber niemand hat die beiden Mädchen miteinander in Verbindung gebracht.«
»Trotz der 44«, sagte ich.
»Trotz der 44«, bestätigte Fallon. »Und keines der beiden Mädchen war in unserer Jurisdiktion, also haben ich und Linda uns entschlossen, die Verbindung eine kleine Weile für uns zu behalten. Und zu sehen, was wir herausfinden könnten.«
»In unserer Freizeit«, ergänzte Goode.
»Wir wussten: Sobald die 44 in den Aufzeichnungen auftauchen würde – was geschehen würde, wenn sie einen anonymen Hinweis von uns erhielten –, würde die Neuigkeit aufgegriffen,und in fünf Minuten hätten wir eine 44-Hysterie am Hals. Serienmörder, tataa, tataa!«
»Die Polizisten würden nicht stillhalten«, sagte ich.
»Nein«, sagte Goode. »Weil es einige Verwirrung darüber gäbe, wer wann was gewusst und warum niemand schon früher zwei und zwei zusammengezählt hat, wo es doch so offensichtlich war.«
»Einen solchen Beweis zu verschlampen, ist schlimm genug, aber es ist noch schlimmer, weil alle die Hosen gestrichen voll haben, wenn sie ihre Zahlen reingeben sollen«, fügte Fallon hinzu.
Mit den Zahlen meinte Fallon CompStat, ein computergestütztes Rechenschaftssystem. Bei den wöchentlichen Pflichttreffen müssen sämtliche sechsundsiebzig Polizeistationen, dazu die in Transit- und Servicebereichen, über jede Anzeige, Beschwerde und Festnahme Bericht erstatten. Mit den Statistiken werden die Computer gefüttert, und die Information wird nachverfolgt. Niemand kann etwas unter den Tisch kehren, weil der Große Bruder zusieht.
»Wenn ihr ihnen also einen anonymen Tipp wegen der toten Mädchen und
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