Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
Vom Netzwerk:
der dort im Gebälk gehangen hatte, sehr ausführlich
     berichtet. Es kam sogar ein Fernsehteam aus Saarbrücken, das für die ARD tätig war. Sie machten ein Interview mit mir, das
     im ›Aktuellen Bericht‹ des SR gesendet wurde. Die junge Reporterin hatte mir versprochen, dass ich auch in die ›Tagesschau‹
     kommen würde – oder zumindest nachmittags in ›Brisant‹.
    Ich war nicht traurig darüber, dass es beim ›Aktuellen Bericht‹ blieb, denn sie hatten meine ausführlichen Darlegungen der
     Kriminalitätsproblematik im Grenzgebiet rausgeschnitten. Was blieb, war nur ein kurzes Statement, in dem ich mich zweimal
     versprochen hatte und bloß verkündete, dass wir noch nichts über die Identität des Toten wussten. Und dafür hatte ich meinen
     Nachmittag geopfert. Die Sache bestätigte noch einmal meine schlechten Erfahrungen mit den Medien: Kaum jemand interessierte
     sich heutzutage noch für die Hintergründe.
    Abends strömte ganz Schauren in die Mehrzweckhalle. Alle schwatzten aufgeregt durcheinander, und man beeilte sich, einen guten
     Platz zu ergattern. Im Eingangsbereich der schmucklosen Halle stauten sich die Bürger, und es kam zu einem Gedränge.
    Ich spürte, dass sich die Menschen von diesem Abend etwas erwarteten. Sie hatten sich herausgeputzt, und viele lachten laut
     – es war wie bei einer Adventsfeier. Schauren war voller Erwartung. Ich hielt mich mit meinen beiden Kollegen im Hintergrund.
     Louis Straßer schien der Einzige zu sein, der einen kühlen Kopf bewahrte. Ich kannte ihn schon gut genug, um zu wissen, dass
     er nichts mehr hasste als Neuerungen. Dieser Abend verhieß jedoch Neuerungen. Bei Alain Miller stellte ich weiterhin eine
     leichte Nervosität fest. Entweder glaubte er wirklich an die über den Wackesberg kursierenden Geistergeschichten, oder aber
     er fieberte |36| der Chance entgegen, endlich mal seine polizeilichen Fähigkeiten bei einem großen Fall unter Beweis zu stellen.
    Lotte saß im blauen Kostüm in der ersten Reihe und wurde von den Honoratioren mit Wangenkuss begrüßt. Auch Pierre Brück war
     im Sonntagsstaat erschienen. Er stand, während die Halle sich füllte, auf einem provisorischen Podium und schaute unbewegt
     zu, wie seine Bürger sich in die engen Sitzreihen quälten. Seinem Gesichtsausdruck war nicht anzumerken, ob er eine gute oder
     eine schlechte Nachricht zu verkünden hatte.
    Pierre Brück bekam ein schnurloses Mikro. Die Verstärkeranlage pfiff. Nachdem der Techniker das geregelt hatte, dankte Brück
     ihm mit einem gravitätischen Nicken und wandte sich dann dem Publikum zu. Der Bürgermeister wirkte jetzt ernst und besorgt.
    »Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Es hat einen Brand gegeben. Leider auch einen Toten. Wir wissen nicht, wer der Mann war.
     Sicher ist nur, er war keiner von uns ...«
    Beifälliges Gemurmel. In der ersten Reihe steckten sie die Köpfe zusammen.
    ». .. wie ich höre, hat der Mann sich selbst umgebracht. Das ist sehr bedauerlich. Ich bin sicher, dass unsere tüchtige Polizei
     bald wissen wird, wo er herkommt ...«
    Ohne lange zu überlegen, meldete ich mich zu Wort.
    »Pardon, aber noch ist nicht klar, wie der Mann zu Tode gekommen ist. Es kann Selbstmord gewesen sein, es kann aber auch ein
     Fremdeinwirken vorliegen.«
    Natürlich drehten sich alle zu uns um. Miller wurde rot, Straßer wippte stolz auf den Zehenspitzen. Der Bürgermeister wirkte
     verärgert. Er ignorierte meinen Zwischenruf.
    »Ich weiß, dass einige Schaurener sehr beunruhigt sind. Wegen des Brandes. Möglicherweise auch wegen des Toten. Das verstehe
     ich. Aber ihr sollt eines wissen: Euer Bürgermeister ist wieder da, und ich habe die Sache unter Kontrolle. Nichts ist geschehen,
     was unsere Gemeinde gefährden könnte. Und es besteht auch in Zukunft keine Gefahr. Dafür verbürge ich mich.«
    |37| Schauren atmete hörbar auf. Es wurde sogar zögerlich applaudiert. Pierre Brück wollte seine Schäfchen beruhigen – und das
     war ihm gelungen. Doch er war noch nicht fertig.
    »Wie alles unter Gottes Firmament hat auch dieser Brand etwas Gutes. Diese unansehnliche Ruine, mit der die Gemeinde sich
     herumschlagen musste, ist aus dem Ortsbild verschwunden.«
    Jetzt klatschten alle begeistert. Angesichts des Erhängten fand ich diese Reaktion recht dickfellig. Brück schien damit jedoch
     keine Probleme zu haben – er strahlte, und das ohne pietätlos zu wirken. Das konnte nur ein Kommunalpolitiker. Ich meldete
     mich erneut zu Wort.

Weitere Kostenlose Bücher