Bollinger und die Barbaren
nicht.«
»Also ich schwöre auf meinen alten Citroën«, maulte Straßer. »So eine Rostlaube klaut keiner.«
Miller wandte sich langsam zu ihm um – bei 140 km/h.
»Der VW Sharan hat eine Wegfahrsperre, den bewegt nicht mal Arsène Lupin von der Stelle. Wenn die Deutschen eines wirklich
können, dann Autos bauen.« Der letzte Satz war für mich bestimmt.
»Man kann jedes Auto stehlen«, sagte ich.
»Das hier nicht!«, fuhr Miller mich an. »Der Sharan hat ja nicht nur eine übliche Wegfahrsperre. Er hat irgendwo in der Karosserie
einen Chip versteckt. Wenn jemand den Wagen nur einen Meter gegen meinen Willen bewegt, beginnt dieser Chip, Signale an einen
Navigationssatelliten zu senden. In zehn Minuten hat die nächste Polizeistreife den Dieb samt Auto gestellt. Die Technik,
die dieser Sharan an Bord hat, ist das Ende der Autodiebe. Es ist einfacher, eine Bank zu überfallen und sich von der Beute
ein gutes Auto zu kaufen, als dieses Auto zu stehlen.«
»Wollen wir hoffen, dass dein Kumpel aus Forbach dir keinen Quatsch erzählt hat«, sagte Straßer. »Du weißt ja, dass im Grenzgebiet
gerade viele Autos gestohlen werden.«
»Vielleicht Daimler und Renaults. Aber kein VW Sharan!«
»Gut«, sagte Straßer und schaute gelangweilt aus dem Fenster. »Dann führ uns an der nächsten Kreuzung mal den Wendekreis von
diesem Wunderauto vor. Wird Zeit, dass wir nach Hause kommen. Oder glaubst du, du kommst drum rum, im ›Forêt de Schauren‹
eine Runde auf deinen neuen Sharan auszugeben?«
|50| 5. KAPITEL
E ndlich hatte ich einen Internetanschluss. Es hatte Wochen gedauert, bis die Leitung vom Hauptraum, in dem hinter einem großen
Tresen die Kollegen Straßer und Miller residierten, in mein Büro gelegt worden war. Die beiden machten keinen Hehl daraus,
dass sie die Investition für überflüssig hielten. Schließlich stand ein netzfähiges Terminal bei ihnen, das so gut wie nie
benutzt wurde: Louis Straßer hielt Computer für eine Verirrung der technischen Intelligenz; seiner Meinung nach würde sich
diese »Erfindung« auch nie durchsetzen, was man an der geringen Computerdichte in Schauren sehen könne. Alain Miller hingegen
war zwar ein wahrer Computerfanatiker, und ich hatte zu Anfang sogar die leise Hoffnung, mit seiner Hilfe einen Großteil unserer
Routinearbeiten auf Computerbasis verrichten zu können. Dann stellte sich jedoch heraus, dass er die Zeit, die er an dem Terminal
saß, ausschließlich mit Spielen oder auf Pornoseiten verbrachte, was ich ihm daraufhin per dienstlicher Weisung strikt untersagte.
Seither tat er so, als existierte auf unserem Revier kein Computeranschluss.
Eine Weile hatte ich den Verdacht, dass sich die Installation meines Anschlusses durch Louis Straßers Verschulden hinauszögerte.
Der Elektriker, der den Auftrag bekommen hatte, war – natürlich – ein Freund von ihm. Der Mann kam alle paar Tage vorbei,
um Straßer ein neues Ersatzteil für die Elektropumpe seines Aquariums einzubauen – die Pumpe funktionierte dennoch nicht,
und Morgen für Morgen schwammen tote Zierfische in der Brühe. Tote Zierfische, die die Steuerzahler bezahlen mussten. Wenn
ich den Elektriker aber danach fragte, wann ich endlich |51| meinen Internetanschluss bekäme, redete er sich immer heraus: Mal waren die Kabel noch nicht da, mal hatten gerade andere
Aufträge Vorrang.
Aber wie gesagt: Jetzt hatte ich endlich meinen Anschluss und konnte morgens erst mal per Internet die Situation sondieren,
bevor ich anfing, den Stand der laufenden Ermittlungen zu überprüfen.
So stieß ich in der Woche nach dem Brand bei ›Spiegel Online‹ auf eine interessante Meldung. Ein britischer Wissenschaftler
hatte das Hormon Oxytocin untersucht und nachgewiesen, dass Sex bis zu einer Woche lang Nervosität lindern konnte. So waren
die Probanden eines Großversuches bei öffentlichen Auftritten weit weniger aufgeregt, wenn sie vorher Sex gehabt hatten. Stuart
Brody, so hieß der Sexualwissenschaftler, hatte bei seinen Forschungen entdeckt, dass die allgemein bekannte euphorisierende
Wirkung nicht etwa nur, wie bisher angenommen, ein paar Stunden anhielt, sondern bis zu einer Woche. Der Wissenschaftler hatte
22 Männer und 24 Frauen über 14 Tage hinweg sich sexuell betätigen lassen. Dann mussten die Versuchskaninchen vor einem größeren
Publikum eine Rede halten oder Rechenaufgaben lösen. Der Wissenschaftler unterschied drei Arten von sexueller
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