Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
Vom Netzwerk:
ich es. Eine Fußspur führte vom Zaun herüber auf den Wackesberg.
     Es waren klobige Schuhe, die gleichen, wie der Erhängte sie getragen hatte. Und was mir sofort auffiel: Die Spur war unregelmäßig,
     er hatte einen Fuß nachgezogen. Unser Toter hatte gehumpelt.
    Ich hatte ihn: den Zipfel, den man braucht, um eine Ermittlung in einem Mordfall zu beginnen.
     
    L ouis und Miller bestaunten das Metallstück. Louis rieb sich das Kinn.
    »Sieht aus wie eine Trophäe. Vielleicht etwas, was mit Sport zu tun hat. Wenn der Tote ein Sportler war und seine Siegertrophäe
     mit sich rumgeschleppt hat ...«
    Ich hielt das für verstiegen. Welcher Sportler nimmt seine Trophäen mit, wenn er seinen letzten Weg antritt?
    »Landstreicher haben manchmal eine Sammlung von verrückten Dingen dabei, die sie aus ihrem alten Hausstand behalten haben«,
     erklärte Louis.
    »Aber dann hätten wir sicher noch mehr gefunden als diese Trophäe«, warf ich ein.
    »Und wenn der Rest verbrannt ist?«
    Louis hatte recht: Das Metallstück konnte durchaus das Überbleibsel aus dem verbrannten Hab und Gut eines Landstreichers sein.
    Alain Miller hatte sich noch gar nicht geäußert. Mir schien, ihm fehlte einfach die nötige Fantasie, um aus diesem zerbeulten
     Etwas die Vision eines Gebrauchsgegenstandes zu entwickeln. Er war eben doch bloß ein fleißiger Fußgänger, wie wir die Kollegen
     nennen, die sich mangels Inspiration ihre bescheidenen Erfolge mühsam erlaufen müssen.
    Immerhin nahm er das Fundstück in die Hand und drehte es |57| mehrmals nach allen Seiten. Dann hatte er plötzlich eine Position gefunden, die ihm zusagte. Wie ein Kind, das ein fremdes
     Spielzeug ausprobiert. Miller richtete die Spitze des Beweismittels auf mich und sagte: »Peng!«
    Straßer und ich schauten uns an. Straßer nickte.
    »Alain hat recht. Es war mal eine Waffe!«
    Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen. »Also doch – ein gewaltsamer Tod.«
    »Nur langsam mit den jungen Pferden«, sagte Louis unwirsch. Er witterte die Arbeit, die nach diesem Fortschritt auf ihn zukam.
     »Die Waffe kann seit ewigen Zeiten dort gelegen haben, sie muss nichts mit dem Erhängten zu tun haben.«
    »Der Hund!«, fiel mir ein. »Der verbrannte Hund. Darüber haben wir uns noch gar keine Gedanken gemacht. Wo kam er her? Und
     wo ist er hin?«
    Louis breitete die Arme aus. »Ich dachte, das wüssten Sie, patron .«
    »Was?«
    »Das war Petrus – der Hund der Hagenaus. Deshalb haben wir auch kein Wort mehr darüber verloren.«

|58| 6. KAPITEL
    D as Haus war einstöckig und unverputzt. Das Gemäuer bestand aus schweren, kantigen Bruchsteinen – wie viele Bauernhäuser in
     der Gegend. Nur machte dieses abseits stehende Haus einen selbst für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich heruntergekommenen
     Eindruck. Fensterläden fehlten, die rostigen Scharniere, an denen sie einmal gehangen hatten, ragten schief aus den Fugen.
     An einigen Stellen war das Dach notdürftig mit Plastikplanen ausgebessert.
    Die Straße, die zu dem Anwesen führte, war ein schlammiger Waldweg. Eine tief eingefahrene Spur endete direkt vor dem Haus.
     Dahinter war nur noch dichter Wald. Vor dem Anwesen verrotteten ausgeschlachtete Autowracks. Sie sahen aus wie Großwildkadaver.
     In einem ummauerten Geviert bedeckten unzählige Autoreifen eine schmutzige Plane.
    Wir stellten unseren Wagen etwa hundert Meter vor dem Grundstück ab, die Straße war zu schlecht.
    »Wenn sie uns kommen hören, verrammeln sie Türen und Fenster«, sagte Straßer. »Dieser Familie ist nicht mehr zu helfen. Sie
     sind wie ein Krebsgeschwür. Unheilbar. Wir würden wer weiß was dafür geben, dass sie endlich verschwinden. Aber sie haben
     einen Narren an Schauren gefressen, diese Hagenaus.«
    Ich mochte es nicht, wenn er so redete. »Vielleicht sind die Hagenaus nur verwahrlost. Und vielleicht hat es sich Schauren
     auch zu leicht mit ihnen gemacht. Wissen Sie, Louis, jeder Ort hat seine Hagenaus. Und wenn man näher hinsieht, sind das oft
     nicht die Schlechtesten.«
    Wir hatten das Haus erreicht. In einem Holzverschlag neben der Tür rumorte es. Ich klopfte gegen die Wand.
    |59| »Monsieur Hagenau!«
    Drinnen wurde es still. Der Alte war sicher schwerhörig. Ich klopfte wieder. Da schoss ein Hund aus dem Verschlag hervor.
     Ich wich zurück. Er riss das Maul weit auf und zeigte seine alten, enterhakenähnlichen Reißzähne. Das Tier bellte mich wütend
     an. Das Echo des Bellens verhallte in den Wipfeln der hohen Bäume

Weitere Kostenlose Bücher