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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Betätigung:
     Petting, Verkehr mit vaginaler Penetration und Selbstbefriedigung.
    Das Ergebnis war verblüffend: Diejenigen, die richtigen Geschlechtsverkehr gehabt hatten, zeigten die wenigsten Anzeichen
     von Stress bei ihren öffentlichen Auftritten. Ihr Blutdruck wurde während der Tests ständig gemessen und aufgezeichnet. Sie
     hätten die stabilsten Werte gehabt, und es wäre kaum zu Ausschlägen nach oben gekommen, schrieb Brody im Fachblatt ›Biological
     Psychology‹. Selbstbefriedigung und Petting hätten auch eine gewisse beruhigende Wirkung gehabt, seien aber weniger effektiv
     gewesen. Am schlimmsten sei das Lampenfieber bei den Teilnehmern gewesen, die in den zwei Wochen vor ihrem Auftritt gar keinen
     Sex gehabt hätten. Der Wissenschaftler vermutete, dass die beruhigende Wirkung von Sex durch das Oxytocin |52| hervorgerufen wurde; dieser Botenstoff werde im Volksmund »Kuschelhormon« genannt und entfalte eine euphorisierende, aber
     eben auch eine beruhigende Wirkung. Die Oxytocin-Ausschüttung könne auch erklären, warum die Stress senkende Wirkung von Sex
     nicht nur unmittelbar nach dem Orgasmus auftrete, sondern lange anhalte. Um Verzerrungen der Studie auszuschließen, hatte
     Brody für jeden Probanden ein psychologisches Profil erstellt, das über die Anfälligkeit für Stress und Angstzustände Auskunft
     gab. Auch die Zufriedenheit in der Partnerschaft und die Arbeitssituation wurden berücksichtigt. Dennoch blieb die sexuelle
     Aktivität zwischen liebenden Partnern laut Brody die beste Erklärung für die Nervenstärke während der Stresszustände.
    Als ich das las, wusste ich sofort, was mit mir geschehen war. Ich hatte einen Weg gefunden, meine darniederliegende Oxytocin-Ausschüttung
     zu erhöhen. Dank Lotte. Seither ging es mir besser.
    Natürlich war mir schon lange klar gewesen, dass meine asketische Lebensweise ein Grund für die Unausgeglichenheit und die
     Fehleinschätzungen in meinem Leben war. Ich hatte auch etwas dagegen unternommen – nicht zuletzt auf die Ratschläge von Dr.
     Backes hin. Allerdings war ich von einer falschen Voraussetzung ausgegangen. Ich hatte angenommen, dass mir nur Sex fehlt.
     Ganz normaler heterosexueller Sex.
    Den habe ich in Saarbrücken gesucht. Krampfhaft. Ich bin mir sicher, dass ich dabei nicht die übliche Figur abgegeben habe:
     also nicht den sabbernden, ausgehungerten Junggesellen. Schließlich trieb mich nicht mein Testosteron-Überschuss an – in dieser
     Hinsicht bin ich eher unterdurchschnittlich ausgestattet. Mich hat noch nie ein starker Sexualtrieb gequält. Nein, was mich
     auf die Partys meiner Kollegen getrieben hatte, war die Gewissheit, dass sich mein Zustand verbessern würde, wenn ich endlich
     Sex hatte. Mir hing die Zunge nicht aus dem Mund, ich hinterließ eher einen relaxten, einen sehr gefestigten und überlegenen
     Eindruck bei der Saarbrücker Damenwelt. Trotzdem |53| kam ich, außer im Eros-Center an der Brebacher Landstraße, kaum zum Zug.
    Vielleicht muss man, um heutzutage sexuell anzukommen, einfach so etwas wie plumpe Geilheit verströmen. Damit konnte ich nicht
     dienen, also reagierten die jungen Frauen, mit denen meine Kollegen verkehrten, auch nicht auf mich. Und die, die reagierten,
     wollten eigentlich keinen Sex (zumindest nicht mit mir), sondern gute Gespräche. Und wenn es trotz aller negativen Vorzeichen
     dennoch zum Vollzug kam, so war der nicht dazu geeignet, meine geistige Verfassung wirklich zu verbessern.
    Ich hatte mich immer gefragt, wieso, denn ich hatte doch alles richtig gemacht. Heute weiß ich es: Es kommt darauf an, mit
     wem man Sex hat. In Saarbrücken habe ich die Partnerin, die meine Oxytocin-Ausschüttung nachhaltig hätte anregen können, nicht
     gefunden. Ich will nichts Schlechtes über die Frauen sagen, die mir in dieser schweren Zeit begegneten: Sie waren schön und
     klug und hatten Charme. Aber was ihnen fehlte, war eine göttliche Seele.
    Lotte hatte so eine Seele.
     
    D ie Ausbeute der Spurensicherung war ziemlich dürftig gewesen. Nicht, dass ich den Kollegen aus Metz misstraut hätte. Aber
     mir erschienen die knappen zwei Stunden, die sie das Gelände durchkämmt hatten, doch etwas wenig Zeit zu sein angesichts der
     Schwere der Tat, mit der wir es zu tun hatten.
    Ich telefonierte täglich mit der Kriminalpolizei. Aber diese Telefonate wurden immer einsilbiger. Man war in Metz zu der Auffassung
     gelangt, dass es sich um Selbstmord handelte. Die Identität des Toten

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