Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
war.
»Nein, ich hatte ein paar Männer bei mir, die das Grobe – also die Wachmänner – erledigt haben. Ich habe mich um die Anlage gekümmert. Auch ohne Techniker zu sein, habe ich sie lahmgelegt.«
»Und wie haben Sie das gemacht?«
»Einfach die richtigen Kabel zerschnitten. Oder besser gesagt: alle Kabel zerschnitten.«
»Es kann aber durchaus auch sein, dass Sie das falsche erwischen und der Alarm erst recht losgeht?«
Alfred zuckte mit den Schultern. »Dieses Risiko muss man eingehen.«
Vorsichtig schlichen sie um das Anwesen herum, zu dem im hinteren Teil auch ein kleiner Innenhof mit Garten gehörte, in dem die Sisslebys früher Partys im kleinen Kreis gegeben hatten. Die Umzäunung war so hoch, dass selbst ein großer Mann nicht ohne Weiteres drüberklettern konnte. Doch wo es einen Zaun gab, gab es auch eine Pforte, denn der Dienstboteneingang befand sich auf der hinteren Seite des Hauses.
Sie hatten Glück, dass der Letzte, der die Pforte durchquert hatte – vielleicht ein Dienstmädchen auf dem Weg zu einem Stelldichein mit ihrem Liebsten –, ziemlich nachlässig gewesen war und das Tor nicht ins Schloss gedrückt hatte. Auf jeden Fall kamen sie leichter als gedacht in den Innenhof. Allerdings begann nun die eigentliche Schwierigkeit, denn wie sie wenig später feststellten, war der Eingang gesichert. Vielleicht konnte man sich deshalb erlauben, es bei der Gartenpforte nicht so genau zu nehmen.
»Wir sollten es doch beim Vordereingang versuchen«, schlug Alfred flüsternd vor. »Ich glaube, ich habe dort einen kleinen Kasten gesehen, an dem ich irgendwas machen könnte.«
»Sie sollten aber nichts durchschneiden. Denken Sie daran, dass Lady Sissleby meine Debütpatin ist.«
Nachdem sie den Innenhof verlassen hatten, rollte eine Kutsche die Straße herauf. Kehrte Lady Agnes schon zurück? Rasch drückten sich Violet und Alfred im Schatten an die Wand.
Doch das Gefährt rollte vorbei.
Als das Rasseln der Räder verklungen war, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Wenn das hier vorbei ist, schwor sie sich, werde ich mich erst mal wochenlang meinen Erfindungen widmen, anstatt die Detektivin zu spielen.
»Alfred, ich …« Als sie zur Seite blickte, war der Butler verschwunden. Sie entdeckte ihn neben der Haustür, wo er seelenruhig an einer der Zierblenden herumwerkelte.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand sie beobachtete, ging sie zu ihm und reichte ihm das Etui mit dem Notwerkzeug, das sie bei sich trug.
»Versuchen Sie es hiermit. Aber lassen Sie um Himmels willen nicht alle Sicherheitsgitter herunter.«
Alfred besah sich die Kiste kurz, entnahm dem Etui eine Zange und setzte sie an das erste Kabel an. Kurz stockte er, denn in der Nachbarschaft bellte ein Hund. Da dieser aber gleich wieder verstummte, drückte er zu.
Violet presste Lippen und Augen zusammen in Erwartung des großen Alarms. Doch nichts passierte.
»Sehen Sie, Mylady, so schlecht war das doch gar nicht für den Anfang.«
»Für den Anfang nicht, aber wer weiß …« Violet stockte, als sie bemerkte, dass er bereits das zweite Kabel durchgekniffen hatte. Nachdem er auch das dritte Kabel erledigt hatte, blieb ebenfalls alles still.
»Vielleicht sollten wir versuchen die Tür zu öffnen.«
Violet nickte und schlich dann so leise wie möglich die Treppe hinauf. Schon als sie vorsichtig die Hand auf den Türknauf legte, merkte sie, dass das Durchknipsen der Kabel zumindest hier keinen Erfolg gezeigt hatte.
»Wenn ich bitten dürfte, Mylady …«
Während sich Alfred am Türknauf zu schaffen machte, hielt Violet Ausschau nach möglichen Störenfrieden. Außerdem durften sie nicht außer Acht lassen, dass sich Lady Sissleby nicht ewig bei ihrem geheimnisvollen Gastgeber aufhalten würde. Immer dann, wenn sie Kutschräder oder das ferne Knattern einer Motordroschke zu hören meinte, wollte sie Alfred schon die Hand auf die Schulter legen, doch dann verschwand das Geräusch wieder.
»Tut mir leid, Mylady«, flüsterte Alfred schließlich. »Ich fürchte, die Tür kann nicht ohne großen Aufwand geöffnet werden.«
»Vielleicht sollten wir klingeln und vorgeben, die Lady sprechen zu wollen«, murrte Violet frustriert.
»Das halte ich für keine gute Idee«, entgegnete Alfred ernst. »Lassen Sie es uns noch einmal auf der anderen Seite versuchen.«
»Nun gut, dann wieder auf die Rückseite.« Frustriert stapfte Violet hinter Alfred her durch das Gartentor. Am Hintereingang hatte sich allerdings tatsächlich
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