Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
etwas geändert. Das Gitter war verschwunden. Hatten sie das Alfreds zweifelhaften Handwerkskünsten zu verdanken? Egal, die erste Hürde hatten sie auf jeden Fall hinter sich gelassen, ohne einen Alarm auszulösen oder sich einzusperren. Jetzt mussten sie nur noch einen Beweis dafür finden, dass Lady Sissleby irgendwie die Hände im Spiel hatte – oder Black.
Während sie nach allen Seiten hin lauschten, schritten sie vorsichtig über die Bodendielen, dann über Teppich und erreichten schließlich eine Tür. Alfred drehte langsam den Türknauf und öffnete sie.
»Soweit ich sehen kann, ist da niemand. Da Sie schon etliche Male in diesem Haus zu Gast waren, würde ich vorschlagen, dass Sie vorausgehen. Ich werde Ihren Rücken decken.«
»In Ordnung.«
Violet war tatsächlich einige Male hier gewesen war, und es war beinahe eine Tradition, dass sie sich aus dem Gespräch mit Lady Agnes davonstahl und dann, wie ihre Mutter das einmal genannt hatte, im Haus herumkroch. Seltsam, dass sie noch nichts Interessantes dabei gefunden hatte. Besaß Lady Sissleby auch geheime Tischplatten, die sie verschwinden ließ, sobald irgendwelcher Besuch anrückte?
Da sie wusste, dass die unteren Räume uninteressant waren, lotste sie Alfred möglichst über Teppiche zur Treppe. Einmal stoppten sie neben einer Tür, weil Alfred meinte, seinen Amtskollegen lachen zu hören.
»Kaum vorstellbar, dass James lacht«, flüsterte Violet, als sie die ersten Stufen hinter sich gebracht hatten. Was für ein Segen, dass auch auf der Treppe Teppich verlegt war, der ihre Schritte dämpfte. »Zumindest wenn ich da bin, spielt er immer den Sauertopf. Ein Clown könnte auf den Händen durch die Halle marschieren und God Save the Queen furzen, und er würde nicht lachen.«
»Da würde ich allerdings auch nicht lachen.«
»Ja, weil Sie ein Angsthase sind. James Thompson ist einfach nur humorlos, das ist etwas vollkommen anderes!«
In der oberen Etage galt es erst recht, vorsichtig aufzutreten, damit es über den Köpfen der Bediensteten, die sich im Erdgeschoss aufhielten, nicht rumpelte.
Aus welcher Tür war Black noch mal gekommen? Violet kniff kurz die Augen zusammen, um sich die Erinnerung wieder ins Bewusstsein zu holen. Es war die zweite – nein, die dritte Tür rechts gewesen. Direkt daneben hatte sich eine Obstschale befunden.
Ein seltsamer Schauer kroch über ihre Arme. Was, wenn er wieder auftauchte?
Während sie sich noch fragte, ob er wieder hierher zurückgekehrt war, erkundigte sich Alfred: »Wollen wir es bei dieser Tür versuchen?«
Er deutete auf die, die vor der, die sie eigentlich im Sinn gehabt hatte, lag.
»Die dahinter, Alfred. Von dort war Black gekommen.«
Der Butler verzog zweifelnd das Gesicht, jedenfalls wirkte es im Zwielicht des Ganges so.
»Sind Sie sicher? Es wäre auch möglich, dass wir geradewegs in sein Schlafzimmer stolpern. Immerhin hat er hier wohl Quartier bezogen.«
»Wenn er denn noch hier ist. Ich bin mir immer noch nicht sicher, zu wem er jetzt genau gehört, zu Lady Agnes oder zu Lady Annabelle. Aber bei einem bin ich mir sicher – das da ist kein Schlafzimmer.«
»Und woraus schließen Sie das, Mylady?«
»Aus Schlafzimmern dringt immer der typische Bettengeruch. Dergleichen habe ich nicht gerochen, als Black mir entgegentrat.«
»Na gut, wenn Sie glauben, dass dies das richtige ist …«
»Ich weiß es, Alfred. Wenn Sie jetzt so freundlich wären und das Schloss öffnen würden?«
Nickend zog der Butler seine Universalwaffe hervor. Einen Lidschlag lang glaubte sie, er würde auf das Schloss schießen wollen, doch dann zeigte sich, dass die Waffe noch eine ganz andere Spezialität zu bieten hatte. Der feine Haken war kaum sichtbar, entfaltete aber eine durchschlagende Wirkung beim Öffnen der Tür. Innerhalb weniger Augenblicke schnappte das Schloss auf.
Schon beim Eintreten bemerkte Violet, dass sie recht hatte. Das hier war kein Schlafzimmer. Es roch nach Holz, nach Tinte, Bleistiften, Radiergummi, Blech und Öl. Durch ein Fenster, das mit einem statischen Gitter gesichert war und wahrscheinlich zum Hof hinaus zeigte – statische Gitter hätten die Außenfassade verschandelt –, fiel ein wenig orangefarbenes Nebellicht, das allerdings nicht reichte, um das, was hier aufbewahrt wurde, genau zu erkennen.
»Wir brauchten eine Kerze oder eine Lampe. So was hat Ihre Wunderwaffe nicht zu bieten, oder?«
»Es wäre an Ihnen, dergleichen zu erfinden. Aber ich fürchte, nicht einmal Mr
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