Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
Stromburgh wäre in der Lage, etwas Entsprechendes aus dem Nichts zu bauen.«
Alfred sah sich kurz um und blickte dann aus dem Fenster. Hinter dem Sissleby-Haus erhob sich die Seitenfassade eines Zeitungsverlages, in dem um diese Zeit niemand mehr arbeitete. Dass die Angestellten im Dienstbotenzimmer etwas mitbekamen, war ziemlich unwahrscheinlich. Also riss Alfred ein Streichholz an und entzündete die Petroleumlampe, die er auf dem Schreibtisch ausgemacht hatte. Der sanfte gelbe Schein, der von dem ansonsten ziemlich stark rußenden Docht ausging, legte sich auf Aktenordner, Papierrollen, Karten und Modelle verschiedener technischer Teile. Da glitzerten Zahnräder, Lötdraht und riesige Platinen, die offenbar zur Steuerung irgendwelcher Maschinen dienen sollten. Im Grunde genommen sah es hier nicht wesentlich anders aus als in ihrem eigenen Laboratorium.
Violet blieb beinahe die Luft weg. Lady Sissleby betätigte sich tatsächlich als Erfinderin. Das musste es sein, was Black hier gefunden hatte.
Staunend schritt sie um den Schreibtisch herum. Dort ausgebreitet lag eine Konstruktionszeichnung, aus der sie nicht schlau wurde. Sie klemmte ihren Schirm, den sie vorsorglich mitgenommen hatte, falls es brenzlig wurde, unter den Arm und beugte sich tiefer über das Blatt. Doch noch immer konnte sie nicht sehen, was das hier zu bedeuten hatte. Wissenschaftler sollten eigentlich so übersichtlich wie möglich arbeiten, besonders bei sehr komplexen Erfindungen. So wurde es jedenfalls von der Royal Academy gefordert. Doch das hier war ein heilloses Durcheinander aus Linien unterschiedlicher Art, Zahlen und Schraffuren. Nur ganz vage war zu erkennen, dass es sich um eine Art Fahrzeug handelte.
Dennoch, Lady Sissleby sollte das gezeichnet haben? Einfache Erfindungen hätte sie ihr noch zugetraut, aber so etwas? Diese Zeichnung sah aus, als sei sie dem Hirn eines Wahnsinnigen entsprungen.
»Ziemlich bizarr, nicht wahr?«, fragte Alfred, der die Zeichnung ebenfalls betrachtete.
»Das ist gar kein Ausdruck!«, entgegnete Violet.
»Haben Sie eine Ahnung, was die Initialen D. M. bedeuten?« Alfred deutete auf die beiden Buchstaben, die in einem Kästchen am linken Blattrand standen.
Violet stutzte. D. M. konnten viele Leute sein, doch ihr wollte im Moment niemand einfallen, auf den diese Initialen passten.
»Vielleicht hat sie jemanden für diese Erfindungen angestellt«, sagte sie, während sie mit dem Finger über die Zeichnung fuhr, die man leicht für ein exzentrisches Kunstwerk halten konnte. »Einen Forscher, der vielleicht das Rad neu erfinden soll oder so.«
»Das sieht mir nicht nach einem Rad aus, höchstens nach einem Zeichner, der eine Schraube locker hat«, entgegnete Alfred kopfschüttelnd. »Ich glaube nicht, dass wir hier im richtigen Raum sind, um irgendwelche Beweise gegen Black zu finden.«
»Wenn wir uns sämtliche Zeichnungen anschauen, vielleicht doch.«
Violet zog die Schublade direkt unter der Tischplatte auf, war sie doch als einzige groß genug, um Entwürfe aufzubewahren, ohne ihnen hässliche Knicke zufügen zu müssen.
Tatsächlich kamen weitere große Papierbögen zum Vorschein. Die Zeichnungen darauf waren teilweise noch verworrener. Studien zu irgendwelchen Teilen, die Violet nicht zuordnen konnte. Und unter all den Zeichnungen entdeckte Violet eine sehr ordentliche und detailgenaue Zeichnung einer Spinne. Diese Zeichnung war weder signiert noch wies sie irgendwelche Notizen auf. Einfach nur eine riesige Spinne. Hatte Borneman diese Zeichnung angefertigt?
Ein ungeheuerlicher Verdacht kam ihr. War vielleicht Lady Sissleby die Naturliebhaberin? Hatte sie die Spinnen auf die Adligen losgelassen?
Das klang absurd, warum sollte sie Mitglieder des Hochadels töten? Doch dann fiel Violet wieder ein, dass Lady Agnes ein kleines Geheimnis hatte, das sie vor Tiefergestellten hervorragend verbergen konnte – doch der Hochadel wusste darum und schwieg freundlich.
»Ich glaube, wir sollten uns jetzt die anderen Räume ansehen«, sagte Violet, während sie die Spinnenzeichnung wieder zurückschob.
»Sie klingen, als hätten Sie einen Verdacht, Mylady«, entgegnete Alfred, während er sie genau musterte. Violet wusste selbst, dass sich ihre Stimme änderte, wenn sie meinte, mit einem Gedanken auf dem richtigen Weg zu sein.
»Oh, den habe ich, aber den werde ich Ihnen erst mitteilen, wenn ich einen stichhaltigen Beweis habe.«
»Können Sie mir denn einen Tipp geben, wonach wir
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