Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
wahrscheinlich jetzt rausgeworfen worden. Doch die Strafen für eine junge Lady Adair sahen ebenfalls nicht rosig aus. Zimmerarrest war das Mindeste.
Violet senkte schuldbewusst den Kopf, hatte aber nicht vor, irgendwelche Ausflüchte zu finden. Wenn ihr Vater sie zu Arrest verdonnerte, würde sie dank Alfred schon einen Weg nach draußen finden. »Ja, das habe ich. Ich wollte unbedingt wissen, was los ist. Bitte verzeih mir, aber ich konnte nicht anders.«
»Und du hast Ermittlungen angestellt? Inwiefern?« Noch immer blickte ihr Vater ziemlich böse drein.
»Ich habe Informationen vom Coroner eingeholt«, entgegnete Violet. »Daher wusste ich auch, was mit dir los ist. Ich wollte die Kapsel aus dir herausholen.«
»Kapsel?«
Violet reichte ihm die Schachtel, die sie in der Rocktasche mit sich trug. Mit staunendem Blick öffnete er die Schachtel und betrachtete die Kapsel.
»Was ist das?«
»Das Werk eines Wahnsinnigen«, entgegnete Violet.
»Du wusstest, dass ich solch ein seltsames … Ding im Magen hatte? Davon wusste ich nicht einmal selbst etwas!«
»Bei Lord Stanton und Lord Broockston war es genauso. Und jedes Mal enthielt die Kapsel solch eine Giftspinne. Dass Broockston daran erstickt ist, war nicht geplant, aber auf diese Weise bin ich immerhin an ein lebendes Exemplar einer Leichenspinne gekommen.«
»Du hast eine dieser Spinnen?« Jetzt fuhr ihr Vater auf. »Und hast sie nicht der Polizei übergeben?«
»Was hätte das denn gebracht? Du weißt genauso gut wie ich, dass unsere Polizei manchmal ziemlich nachlässig in ihren Ermittlungen ist. Vielleicht hätten sie dem Mörder die Kapsel nur wieder in die Hand gespielt.«
»So etwas kannst du nicht einfach behaupten, Violet!«
»Das würde ich draußen auch nie tun, aber dir gegenüber darf ich doch ehrlich sein, oder?« Violet setzte ein versöhnliches Lächeln auf. »Versteh doch, ich wollte nicht tatenlos zusehen. Ich habe das Tier Professor Borneman übergeben. Er hat herausgefunden, dass diese Leichenspinne mit der Schwarzen Witwe gekreuzt wurde. Sollten wir sie als Beweisstück brauchen, wird er sie sicher wieder herausgeben.«
Dass Borneman die schreckliche Spinne überhaupt erst gezüchtet hatte, verschwieg sie ihm zunächst einmal. Zur Not konnte sie es ihm immer noch erzählen.
Lord Reginald drückte ihre Hand. »Ich danke dir, mein Kind. Und ich bin sehr stolz auf dich.«
»Nicht böse?«
»Ich glaube kaum, dass ich im Augenblick die Kraft habe, böse zu sein. Außerdem würde ich dir gern ein paar Dinge anvertrauen.«
»Fühlst du dich dazu in der Lage? Vielleicht solltest du dich ein wenig ausschlafen.«
Lord Reginald schüttelte den Kopf. »Ich habe eigentlich genug geschlafen. Byrton meinte, dass sich in der Nacht herausstellen würde, ob ich wirklich vergiftet war, und im Falle dessen, ob das Gegenmittel wirkt. Also bleibe ich lieber wach und rede mit dir, es sei denn, du willst ins Bett.«
»Glaubst du wirklich, dass ich ein Auge zubekomme, Papa?«, fragte Violet lächelnd, obwohl sie tatsächlich hundemüde war. Doch wenn sie sich sonst die Nächte damit um die Ohren schlagen konnte, nach Southwark zu fahren und im Labor zu tüfteln, würde sie wohl auch eine Nacht lang ihrem Vater zuhören können. Zumal die Geschichte interessant zu werden versprach.
Sie läutete also nach Alfred und ließ ihn etwas Tee und Kekse bringen, dann setzte sie sich auf die Bettkante und lauschte.
»Die Säulen wurden zu jener Zeit gegründet, in der erstmalig eine Königin allein über England herrschte. Vier Adelshäuser wurden ausgewählt, die Königin zu schützen. Diese Männer arbeiteten eng mit der Geheimpolizei zusammen, die damals noch von Francis Walsingham und William Cecil geleitet wurde. Mit diesen Namen kannst du sicher etwas anfangen.«
Violet nickte. Im Geschichtsunterricht, den sie wie alle anderen Stunden von Hauslehrern erhalten hatte, war ihr die englische Geschichte hoch und runter eingepaukt worden. Es gab kaum ein Adelshaus, alt oder neu, lebend oder ausgestorben, das sie nicht kannte. Und sie wusste auch bestens über die großen Politiker Englands Bescheid.
»Die schworen sich, den jeweils herrschenden Monarchen vor Unheil zu bewahren. Besonders bei Elizabeth I. war das nötig, denn sie hatte allein schon deswegen, weil sie nicht heiraten wollte, sehr viele Feinde, auch unter ihrem eigenen Adel, der sich nicht dem Befehl einer Frau beugen wollte.«
Das alte Leid, dachte Violet ein wenig verdrossen. In der Royal
Weitere Kostenlose Bücher