Bombenbrut
lange, dann kommt Phebe den Flur entlang, in Leons Augen irgendeine Angestellte unter vielen. Sie geht auf die Glastür zu, tippt ihren Code ein, der Türöffner summt, sie macht die Tür auf und schon steht Leon hinter ihr.
Die junge Frau erschrickt, schaut an Leon hoch und fragt ihn auf vietnamesisch irgendetwas, das er nicht versteht.
Er aber lacht freundlich und antwortet auf Englisch: »Ich suche Björn Otto, ich habe einen Termin mit ihm.«
Sie scheint irritiert, lässt Leon jedoch höflich herein und fordert ihn auf, ihr zu folgen. Sie führt ihn durch einen langen Gang, der gesäumt ist von hellen Großraumbüros, in denen Leon vietnamesische Frauen und Männer vor flimmernden Monitoren in ihre Tastaturen hacken sieht.
Plötzlich bleibt Phebe stehen. Der Flur verbreitert sich, in der Mitte steht offensichtlich ihr Schreibtisch, denn sie greift zu dem Telefon darauf, nimmt den Hörer ab und wählt eine Nummer.
Sie spricht zwei Sätze und reicht den Telefonhörer an Leon weiter.
»Otto«, hört Leon eine raue Männerstimme, »wer sind Sie?«
Leon muss reagieren und antwortet auf Deutsch: »Ich bin Journalist und zufällig hier in Ho-Chi-Minh-Stadt. Ich habe in einer Zeitung gelesen, wie erfolgreich Sie hier in Vietnam arbeiten. Selbst der deutsche Außenminister hat Sie als ein Vorzeigeunternehmen gepriesen. Ich würde gern ein Porträt über Ihr Unternehmen machen.«
»Vergessen Sie’s«, sächselt Otto, »ich habe diese Woche zu tun.«
»Könnte ich mich wenigstens umschauen?«
»Ich sagte doch, ich habe zu tun«, wird Otto deutlich. »Nicht diese Woche!«
Leon bleibt gelassen und höflich, bedankt sich bei Otto für das Gespräch und legt auf.
»Mr Otto ist sehr freundlich«, wendet Leon sich an Phebe, »Sie mögen mir bitte sein Zimmer zeigen«, sagt er bestimmend.
Phebe lächelt, verschränkt ihre Arme, verbeugt sich vor der Langnase und biegt um die Ecke. Leon folgt ihr, sie öffnet eine Tür, bleibt auf der Schwelle stehen, Leon geht hinein.
Der Raum ist groß und hell, modernes Bürodesign, weiße Schreibtischflächen, mehrere, große Monitore. Mehr gibt es nicht zu sehen. Das Chefzimmer wirkt kalt, das liegt aber nicht nur an der Klimaanlage, die hörbar auf Hochtouren läuft, es fehlen persönliche Gegenstände oder selbst ein Bild. Gegenüber der Zimmertür reicht ein Fenster über die gesamte Wand. Davor schlängelt sich der braune Saigon River an dem Betriebsgelände vorbei, dahinter sieht man die Skyline der Stadt.
Leon geht entschlossen zu dem großen Schreibtisch, sucht auf der aufgeräumten Fläche einen Terminkalender und fragt wie nebenbei: »Hat Herr Otto heute viele Termine?«
»Nein, nur einen«, lächelt Phebe, »aber sehr wichtig!«
»Allein oder mit Herrn Kluge?«
»Ich weiß nicht«, lächelt sie.
»Kennen Sie Herrn Kluge? Haben Sie ihn schon gesehen?«
»Nein«, schüttelt Phebe ihren schwarzen Pagenschnitt, »Herrn Kluge kenne ich nicht.«
»Und Herrn Stocks?«
»Nein«, wiederholt sie, »den auch nicht.«
»Wann kommt Herr Otto wieder?«, fragt Leon.
»Heute Mittag«, antwortet sie schüchtern, dann hebt sie ihre rechte Hand, »oh, bitte entschuldigen Sie mich, das Telefon.«
Leon nickt zustimmend. »Gehen Sie ruhig«, weist er sie an, als ob er in dem Unternehmen das Sagen hätte, und setzt sich auf Ottos Schreibtischstuhl.
Kaum ist Phebe verschwunden, öffnet er die oberste Schublade des fremden Schreibtisches. Er muss irgendetwas finden, das ihm weiterhilft. Er nimmt einen Stapel Papiere aus der Schublade, blättert sie schnell durch, bleibt bei einem grünen Blatt hängen. Seine Augen weiten sich. ›Holger Stocks‹ steht darauf, dann offensichtlich Stocks Adresse in der Schweiz, darunter nur ›Lieber Björn‹ und zwei Zeilen: »Iran-Offerte unbedingt stoppen; Russen und Chinesen bedienen.« Mehr ist nicht darauf zu lesen.
»Sie dürfen hier nicht sein, Herr Otto ist sehr böse!« Phebe kreischt mit schriller Stimme durch den Flur.
Leon schaut auf, nimmt das Blatt Papier an sich und geht auf Phebe zu. Sie ist sichtbar aufgebracht, starrt ihn entgeistert an und entschuldigt sich gleichzeitig: »Ich habe gerade mit Herrn Otto gesprochen, er sagt, Sie haben hier nichts zu suchen, Sie dürfen nicht hier sein, er schimpft mich.«
»Stimmt, da haben wir uns vielleicht missverstanden. Dann verabschiede ich mich jetzt besser«, antwortet Leon im Gehen und eilt schnell durch den langen Flur zurück zu den Aufzügen. Glücklicherweise lässt sich die
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