Bombenspiel
als eine verbale Auseinandersetzung, bei der sie, die gebildete und rhetorisch geschulte Journalistin, die Oberhand behalten würde.
Das, was sie ihm nachrief, als er auf dem Flur zwischen präpariertem Eichelhäher und Wildschweinfell zur breiten Treppe lief, die hinunter in die Gaststube führte, hatte wenig Versöhnliches. »Ja, geh nur! Du machst ja eh, was du willst. Du bist ein Egoist! Ich will dich nie wieder sehen!« Ihre letzten Worte gingen in ein Schluchzen über und Alan überlegte einen Augenblick, ob er nicht einfach zurückkehren, sie in die Arme nehmen und ihr ins Ohr flüstern sollte, was sie hören wollte.
Gottfried fing ihn an der Treppe ab, legte ihm die Hand auf die Schulter und fragte, da er offensichtlich Lindas letzte Worte mitgehört hatte: »Henner Krach? Lass se maula! Des legt sich wieder. Komm, i geb d’r oin aus!«
Alan verstand zwar nichts von dem breiten Schwäbisch, mit dem ihn Gottfried brüderlich getröstet hatte, doch war ihm Männergesellschaft jetzt recht angenehm und er nahm die Einladung des Hirschenwirts gerne an.
Und während sich die beiden Männer mit einigen Menzenschwandern am Stammtisch abwechselnd mit Hefeweizen und Himbeergeist zuprosteten, packte Linda wütend ihren Koffer und reiste mit Sarah ab.
Eine Entscheidung, die sie bereits bedauerte, als sie in Bärental an der Weggabelung stand und auf die Bundesstraße Richtung Titisee einbog. Sie war davon überzeugt, Alan eine Lehre erteilen zu müssen. Wie konnte er ihr das antun? Er musste doch spüren, dass sie es nur tat, weil sie ihn über alles liebte. Tränen traten ihr in die Augen und sie fuhr einen Parkplatz an.
Sie kannte Alan. Er war sehr sensibel. Ihre beste Freundin Babs hatte sie mehr als einmal darauf aufmerksam gemacht, dass sie Alan vernachlässigte. Er war zwar ihr zuliebe nach Deutschland gekommen, aber sie konnte seinetwegen nicht ihr komplettes Leben umkrempeln.
›Warum denn nicht?‹, hatte Babs sie gefragt. ›Er hat es ja auch getan.‹
Alan Scott war ein Mensch, der von ganzem Herzen liebte; das war sie nicht gewöhnt. Eine Liebe wie mit ihm hatte sie noch nie erlebt, und sie tat sich schwer, damit umzugehen. Die Liebeserklärungen per SMS, mit denen er sie überhäufte, waren ihr fast zu viel und sie verstand seine Enttäuschung nicht, wenn sie nicht darauf antwortete. Babs hatte einmal miterlebt, wie sie ihn auf eine Antwort warten ließ und sie anschließend zur Rede gestellt. ›Freundschaft muss man pflegen‹, hatte sie gesagt. ›Sie geht sonst ein wie eine Blume ohne Wasser. Alan liebt dich, er ist bereit, alles für dich aufzugeben. Und du zeigst ihm immer wieder die kalte Schulter!‹
Linda hatte sich mit ihrer Angst vor einer Enttäuschung herausgeredet. Seit Alan in Deutschland war, ging ihr alles fast ein bisschen zu schnell und sie hatte das Gefühl, eingeengt zu sein.
›Dann entscheide dich endlich, was du willst!‹, hatte Babs gesagt. ›Alan Scott ist nicht der Mann, der sich ewig aufs Abstellgleis schieben lässt.‹
›Aber wir haben doch alle Zeit der Welt‹, hatte sie entgegnet. Ein Satz, den auch Alan schon von ihr zu hören bekommen hatte. Jetzt kam er ihr wieder in den Sinn. War sie ihrer Sache zu sicher gewesen, seit er ihr den Heiratsantrag gemacht hatte? Hatte er sich wirklich aufs Abstellgleis geschoben gefühlt? Lag sie falsch mit der Hoffnung, dass seine Liebe zu ihr stärker war als seine Liebe zu Afrika? War es richtig gewesen, so überstürzt abzureisen? Wie würde er darauf reagieren?
Ich werde ihn anrufen, dachte sie, aber nicht sofort. Soll er noch ein bisschen schmoren. Den Satz von Babs, was Freundschaft anging, hatte sie schon wieder vergessen.
Linda vermisste ihr Handy erst bei ihrer Ankunft in Tübingen. Ohne Handy hatte sie keine Chance, Alan zu erreichen, da sie seine Handynummer nur dort eingespeichert hatte und nicht auswendig wusste.
Sie rief im ›Hirschen‹ an und bat Susanne, in ihrem Zimmer nach dem Telefon zu suchen und Alan auszurichten, er möge sie zu Hause anrufen. Doch Alan war zu diesem Zeitpunkt schon abgereist, hatte sich in St. Blasien einen Mietwagen genommen; wohin er wollte, hatte er nicht gesagt.
Susanne hatte Lindas Handy in ihrem Zimmer unter dem Sofa gefunden. Linda hatte sie gebeten, das Telefonbuch zu öffnen und ihr Alans dort gespeicherte Handynummer durchzugeben. Der Akku in Lindas Handy war leer gewesen. Susanne hatte ihr daraufhin vorgeschlagen, ihr das Handy per Post zu schicken, doch das hatte
Weitere Kostenlose Bücher