Bonbontag
Fernsehfilm, handelt von einem Ehepaar, das gern ein Kindhätte«, erzählte Ari schnell, wollte schon aufhören, um dann aber doch weiter zu präzisieren. »Und von ihren Freunden, einem anderen Ehepaar, das ein paar Kinder zu viel hat.«
»Und warum schaffen sich die einen dann keine eigenen an?«, fragte der Junge.
»Manchmal ist es halt so, dass es nicht klappt.«
Der Junge überlegte einen Moment. »Holen die keins ... Könnten die nicht eins ... zum Beispiel aus China holen?«
»Doch ... gut kombiniert«, freute sich Ari und dachte, dass man das Adoptionsthema noch ausweiten müsste. »In der Geschichte kommt das Kind allerdings aus Estland ... aus finanziellen Gründen.«
»Und wie geht es aus?«
Ari sagte, das würde er später erzählen, denn jetzt sei der Junge an der Reihe.
»Könnte ich mal aufs Klo gehen?«, sagte der Junge und wurde sofort rot. »Ach so, ich war ja gerade erst ...«
»Sag mir als Erstes, wie du heißt.«
Diese Frage hatte ihm die ganze Zeit auf der Zunge gelegen. Erst als er sie aussprach, begriff Ari, dass er das gleich zu Beginn hätte fragen müssen.
Der Junge überlegte, überlegte ernsthaft.
»Ich bin Doktor Kilmore. Das schreibt man K, i, l, m, o, r, e. Kilmore. Kurz Doc Kilmore.«
»Aha, na schön ...«, schmunzelte Ari etwas gezwungen. Er musste sich auf die Lippe beißen, um nicht ärgerlich zu werden. »Aber sag mir trotzdem auch deinen richtigen Namen.«
Der Junge schwieg. Igelte sich ein. Wirkte trotzig.
»Sagst du mir deinen Namen? Deinen richtigen Namen?«
»Warum?«
»Na, weil ...«, schnaubte Ari, aber dann verlor er den Gedanken für einen Moment. »Damit ich dir helfen kann, damit du nach Hause kommst.«
Der Junge wurde unruhig, er hatte wohl etwas zu sagen, aber keine Worte dafür.
»Warum kannst du mir deinen richtigen Namen nicht nennen?«
»Ich will nicht ... dass die Banditen mir auf die Spur kommen.«
»Welche Banditen?«
»Na, die Banditen. Die Räuber-Banditen.«
Ari starrte den Jungen an, der einen ziemlich sturen Eindruck machte. Über die Räuber-und-Gendarm-Spiele müsste man jetzt langsam hinauskommen.
»Okay, Doc Kilmore, dann überlegen wir jetzt, wie wir dich nach Hause kriegen.«
»Sodass mir die Banditen nicht auf die Spur kommen.«
»Genau. Sodass dir die Banditen nicht auf die Spur kommen.«
Ari wartete auf eine Antwort. Der Junge konnte bestimmt die Gegend beschreiben, in der er wohnte. Man musste ihn nur gezielt danach fragen.
Der Junge kam ihm zuvor: »Hast du vielleicht einen Computer?«
»Was?«, wunderte sich Ari. »Wolltest du ...«
»Ich dachte, könnte ich vielleicht mal deinen Computer ausprobieren?«
»Nein«, entrüstete sich Ari, fügte aber sogleich milder hinzu: »Noch nicht. Zuerst denken wir gründlich nach ... bevor die Banditen hier sind.«
Man hörte ein Klingeln. Ein Handy.
Es klingelte erneut. Ziemlich gewöhnlicher Klingelton, aber nicht der von Ari.
Es kam aus dem Kapuzenpulli. Erst jetzt reagierte der Junge darauf.
»Sorry«, sagte er und schob schnell die Hand in die Tasche, drückte darin herum, versuchte den Ton abzustellen, aber die Hand fand das Telefon nicht. Nervös grub der Junge in der Tasche, im Nu zog er alles heraus, ein Taschentuch, ein Päckchen Kaugummi, einen Schlüsselbund, eine kleine Taschenlampe und schließlich das Handy. Er schaute kurz aufs Display. Drückte flink ein paar Tasten. Blickte erneut aufs Display. Tippte wieder. Schaltete das Gerät aus.
»Wer war das?« Ari versuchte entspannt zu wirken.
»Och, das war bloß ... eine SMS.«
»Wer hat dir denn geschrieben?«, wollte Ari wissen.
»Die Mama«, sagte der Junge. Das war ihm eindeutig herausgerutscht. Seine Wangen glühten rot.
Er verbarg das Gesicht in den Händen.
»Warum antwortest du nicht? Warum rufst du deine Mutter nicht an?«, fragte Ari.
Nun verdeckte der Junge den ganzen Kopf mit den Händen. Zuerst glaubte Ari, dass der Junge weinte, aber es kamen keine Tränen.
»Das könntest du mir jetzt ein bisschen näher erklären«, sagte Ari so freundlich wie möglich. »Was hat dir deine Mama geschrieben?«
»Ganz normal«, murmelte der Junge.
»Nämlich?«
»Dass sie jetzt nicht daheim sind ... unterwegs oder so ... oder eigentlich im Kino ... aber morgen ... oder so ... da können wir uns dann sehen oder telefonieren ...«
»Du rufst jetzt auf der Stelle deine Mutter an.«
Der Junge schüttelte den Kopf.
»Geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Die hat ihr Handy schon ausgeschaltet.«
»Dann
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