Bonbontag
können einen Film ausleihen.«
Der Junge nickte. Etwas schimmerte auf seiner Wange. Er wischte es schnell weg.
»Bist du okay?«, fragte Ari.
»Mir tränen in der Kälte manchmal die Augen«, sagte Tomi mit zitternder Stimme. Gerade so gelang es ihm, das Weinen in Schach zu halten.
»Oder wie sollen wir es machen?«, fragte Ari. Er wollte ehrlich hören, was sich der Junge wünschte.
Tomi zuckte mit den Schultern, traute sich nicht, etwas zu sagen, damit er nicht zu weinen anfing.
»Wie wäre es am besten?«
Tomi schluckte.
»Ich will nicht allein sein.«
Ari wusste nicht, was er sagen sollte.
Dann wusste er es plötzlich.
So würde er es in seinem Roman schreiben.
8
Ich heiße Paula Vaara, und dies ist der letzte Tag des Lebens, das noch vor mir liegt ... nein, der erste Tag.
Na gut, jetzt aber Konzentration.
Also, wir haben heute Februar, und zwar ... den zwanzigsten? Na, egal, ich befinde mich jedenfalls hier am Meer ... oder am Eis ... an diesem Eisbrei. Das Meer friert hier janicht richtig zu. Da draußen irren trotzdem ein paar Verrückte herum ... ja, ja, nur immer weiter geradeaus, da drüben liegt Estland, ersauft nur in aller Ruhe, wenn es euch Spaß macht ...
Hier also ... Entschuldigung, jetzt muss ich gähnen. Hier also ist die Paula ... also ich ... und ich spreche ... sie spricht zu Paula, also zu mir. Es soll auch sonst niemand zuhören. Die anderen sollen sich ver ... Beobachtung ... Beobachtung: ich fluche zu viel. Das zeigt nur, dass ich ... ein bisschen kindisch bin. Versuchen wir ... ich versuche, erwachsen zu sein ...
Übrigens habe ich die Kamera noch nie so auf dem Schoß gehalten. In den Schoß gesprochen ... als würde man ein Kind halten. Na ja, nicht ganz so ... Und die Schlawinerin hier gibt auch keine Widerworte. Wenn ich sie ein bisschen schwenke und schüttele, sagt keiner, nein, nein, du darfst sie nicht behalten, wir nehmen sie dir weg. Und die hier sagt auch nicht, ich will nicht ... bei dir sein.
Was diese Kanaille ... Kaija gesagt hat. Ist Fakt. Keine einzige Freundin.
Und doch eine.
Eine engere Freundin als Paula Vaara gibt es nicht und kann es gar nicht geben.
Analysieren wir das. Warum rede ich hier wie zu mir selbst? Direkte Frage, direkte Antwort: Ich will mich entwickeln, ein besserer Mensch sein ... Nein, ich will eine bessere Paula Vaara sein ...
Was denn nun ... Grauenhaft, wie die Gefühle blanklie-gen ... Jetzt fang nicht an zu flennen, Paula Vaara.
Ich will ... Du willst ein besserer Mensch sein ...
Darum stehe ich jeden Morgen auf, bevor Mirja wach wird. Außer heute. Da habe ich verschlafen.
Ein bisschen mehr Systematik, bitte. Gehen wir so vor, wie es sich gehört.
Was erwarte ich also von diesem Tag? Beruflich? Als Mensch ... als Mutter? Wie versuche ich ... wie entwickle ich mich an diesem Tag weiter? Beruflich, als Mensch. Als Mutter.
Bevor ich diese äußerst intelligente Frage beantworte, genieße ich ein kleines Stück Schokolade, damit ...
Wo hab ich sie hingesteckt ...
Das ist heute nicht mein Tag.
Beruflich ...
Was ich da gerade eben ... Ich habe versprochen, nicht zu fluchen, aber ... Ist halt nicht ganz so schön gelaufen, das Ding im Job. Und der Grund dafür lautet ... dass ich ein bisschen aus der Spur war und bin ... Als Mensch bin ich nicht ...
Wo hab ich sie nur ... Da ... nein ... Hab ich sie schon gegessen?
Oh, Scheiße!
Na ja ... Das zählt nicht. Mein Blutzuckerspiegel ist einfach zu weit abgesackt. Irgendwie schaffe ich es gerade nicht, aufzupassen ... auf mich selbst ... Als Mutter ... irgendwie bleibt alles nicht ... Was ist Ursache, und was ist Wirkung ...
Okay ... eins nach dem anderen.
Ich weiß genau, wie das läuft ... Die fragen ... Gibt’s Schwierigkeiten, und wie sieht denn der Hintergrund aus?
Ich bin ein erwachsener Mensch, das ist der Hintergrund. Mann weg, tough luck . Und da weine ich kein bisschen drüber.
Für Mirja habe ich alles ... Was würde eine Mutter nicht für ihre Tochter tun und so weiter und so fort ...
Dann gibt es da die Lügen des Mädchens und ihre Einbildungen.
Ich sollte hier doch der erwachsene Mensch sein, oder?
Mirja ist ... ein Kind. Sie kann noch nicht verstehen, blablabla ...
Mirja soll erwachsen werden.
Ich soll logisch sein und Ordnung bieten.
Ein Vertrauensbruch, der muss doch Konsequenzen haben, oder nicht? Doch, das muss er.
Auch ein Kind muss ein bisschen Verständnis aufbringen ... Verständnis für Schönheit ... dafür, was Loyalität heißt. Ich will
Weitere Kostenlose Bücher