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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O'Guilín
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um Wandbrechers Ruf wiederherzustellen.
    »Ich besorge euch mehr Fleisch, als ihr und eure Familien essen könnt«, sagte er. »Das habe ich versprochen, und ich werde mein Versprechen halten. Aber bis zur Abenddämmerung haben wir noch sehr viel Arbeit vor uns. Stolperzunge, lauf nach Hause! Du weißt, was du für mich holen sollst. Und bring weitere Speere mit, wenn du welche findest.«
    Stolperzunge lief los.
    Schon während ihrer Kindheit hatte Wandbrecher sich selbst eine ruhmreiche Zukunft vorhergesagt. Er würde ein Jäger sein, der dem legendären Reisenden gleichkam, diesem Mann, der sich allein in feindliche Straßen geschlichen hatte und mit einem ganzen Kadaver auf dem Rücken zurückgekehrt war. In ihren Spielen hatte Wandbrecher immer die Rolle des Reisenden übernommen. Er hatte immer einen Plan. Als er älter wurde und an den ersten echten Jagden teilnahm, die von anderen Männern angeführt wurden, war er sehr enttäuscht gewesen, mit wie wenig Voraussicht diese Unternehmungen durchgeführt wurden. Herumschleichen, auf eine Gelegenheit warten – irgendeine Gelegenheit – und dann zuschlagen! Er würde es ganz anders machen, wenn er die Führung übernehmen durfte, hatte er gesagt. Er würde Fleisch im Überfluss mit nach Hause bringen. Endlich war die Gelegenheit gekommen, die er einst ersehnt hatte und vor der er nun zurückschreckte.
    Stolperzunge folgte dem Befehl seines Bruders und rannte nach Hause. Er nahm Abkürzungen durch Gassen zwischen den Hauptstraßen und duckte sich unter Strängen aus geklopftem Moos hindurch, das die Frauen zum Hartwerden aufgehängt hatten. Vom Mittelplatz konnte er unruhige Stimmen hören, wo das weiße Ding gelandet sein musste. Er brannte darauf, zu sehen, was es war, fast genauso sehr wie Wandbrecher. Aber das musste warten. Er hatte eine andere Aufgabe zu erledigen. Eine gefährliche Aufgabe. Er bereute es schon, sich als Läufer angeboten zu haben, aber auch er war aufgeregt, und wie jeder junge Mann brannte er auf eine Gelegenheit, die älteren Jäger zu beeindrucken.

    Das Wesen segelte, an seinem großen weißen Flügel hängend, auf den Mittelplatz herab. Frauen, die Fleisch geräuchert hatten, rannten schreiend in alle Richtungen davon, während ihre Männer versuchten, es mit Steinschleudern zu erlegen.
    »Tötet es nicht!«, rief Speerauge. »Es ist nur eins – wir wollen es zuerst umzingeln!« Der Schatten des Wesens strich über aschebedeckte Pflastersteine hinweg, die von generationenlangen Schlachtungen rot gefärbt waren. Die Männer dachten, es würde in einer Ecke des Platzes niedergehen, und rannten in diese Richtung, doch plötzlich drehte es ab, und die Jäger stolperten übereinander, als sie sich wieder der Mitte zuwandten. Das Wesen landete nur wenige Schritte vom uralten Brunnen entfernt. Im nachlassenden Licht schien es glänzend schwarze Beine zu haben. Sie bewegten sich während der Landung und lösten einen Funkensturm aus. Schließlich schlitterte es durch einen Knochenhaufen und brach zusammen, während sich der seidenartige Flügel darüberlegte.
    Die Männer umkreisten es mit erhobenen Waffen, als das Wesen sich bemühte, unter der Bedeckung hervorzukommen.
    »Haltet euch zurück«, rief Speerauge. »Ihr werdet alle euren Anteil bekommen, aber nur ich habe das Recht, es zu töten.« Er trat vor die anderen, nicht weit von der Stelle entfernt, wo der Körper des Wesens aus dem Kokon schlüpfen würde. Die Tätowierungen auf seinen Schultern spannten sich, als er seine Waffe hob, aber er setzte sie nicht ein.
    »Beim Reisenden!«, sagte er.
    »Was ist los?«, fragte jemand.
    Speerauge wich ein paar Schritte zurück, ohne die Waffe zu senken. Das Wesen schüttelte den letzten Rest des weißen Flügels ab, und alle Männer keuchten gleichzeitig auf.
    »Es ist eine Frau!«, sagte Raunase.
    »Das kann nicht sein«, sagte Schieflippe. »Es hat kein Haar. Und die Haut ist viel zu glänzend!«
    Das Wesen atmete schwer, und der haarlose Kopf schimmerte schweißfeucht. Vom Hals abwärts war die Haut kohlschwarz. Der Körper hatte keine Brüste oder Geschlechtsteile, aber er hatte die Figur einer Frau. Das Gesicht war so verblüffend menschlich, dass keiner der Jäger es fertigbrachte, es anzugreifen.
    Das Wesen hob langsam eine Hand zum Hals und drückte auf eine kleine Warze. Plötzlich blätterte der glänzende Teil seiner Haut ab – war es eine Art Kleidung? – und räumte jeden Zweifel aus, ob es sich tatsächlich um eine Frau

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