Boneshaker - Priest, C: Boneshaker - Boneshaker
niemand vergriffen. Die Handschuhe zu ersetzen, war teuer genug gewesen, aber für die Brille berechnete Waterworks einen ganzen Wochenlohn.
Sämtliche Arbeiterinnen trugen Schutzbrillen mit polarisierten Gläsern. Aus Gründen, die niemand vollständig verstand, ermöglichten solche Gläser dem Träger, den gefürchteten Fraß zu sehen. Selbst in geringen Spuren erschien das Gas als gelblich-grünlicher, sickernder und tropfender Dunst. Es war so schwer, dass es floss und sich sammelte wie zäher Schlamm.
Briar schnallte sich die klobigen Gläser vor die Augen und hängte ihren Mantel an einen Haken. Sie nahm einen Schraubenschlüssel, der beinahe so lang wie ihr Unterarm war, und trat hinaus in die Haupthalle, um einen Tag lang kochend heiße Tiegel vom einen Platz zum nächsten zu versetzen.
Zehn Stunden später zog sie die Handschuhe wieder aus, nahm die Brille ab und legte alles zurück in ihr Fach.
Als Briar die metallene Ausgangstür öffnete, stellte sie fest, dass es immer noch regnete, was keine Überraschung war. Sie zog die Schnürbänder ihres breitkrempigen Huts fester. Dieser widerwärtige Regen hatte ihr schon mehr als genug orangefarbene Strähnen in ihrem eigentlich dunklen Haar eingebrockt. Den Mantel bis obenhin zugeknöpft und die Hände tief in die Taschen geschoben, machte sie sich auf den Heimweg.
Es ging fast die ganze Zeit steil bergauf, aber der Wind kam von hinten, vom Meer, und fegte die Berghänge am Rand der alten Stadt hinauf. Der Weg war weit, aber vertraut, und Briar brachte ihn hinter sich, ohne viele Gedanken an den Wind oder den Regen zu verschwenden. Sie hatte mit diesem Wetter so lange gelebt, dass es kaum mehr als eine Hintergrundmusik darstellte, die zwar unangenehm war, ihr aber kaum auffiel – nur, wenn ihre Zehen taub wurden und sie aufstampfen musste, um wieder Gefühl darin zu bekommen.
Als sie zu Hause ankam, war es noch gar nicht richtig dunkel geworden.
Briar freute sich auf fast schon alberne Weise darüber. Während der Wintermonate stieg sie die schiefen Steintreppen fast immer im Stockdunkeln hinauf – umso mehr verblüffte es sie jetzt, dass zwischen den Regenwolken noch ein Hauch Rosa zu sehen war.
Kleiner Sieg hin oder her, ihr war danach, ihn zu feiern.
Aber zunächst entschuldigte sie sich wohl besser bei Ezekiel. Sie konnte sich hinsetzen und mit ihm reden, wenn er bereit war, ihr zuzuhören. Wer weiß, vielleicht konnte sie ihm sogar ein paar Sachen erzählen. Nicht alles natürlich.
Das Schlimmste wusste er noch gar nicht, obwohl er wahrscheinlich vom Gegenteil überzeugt war. Briar kannte die Geschichten, die herumgingen. Sie hatte sie selbst gehört und war Dutzende Male von Polizisten, Reportern und empörten Überlebenden darauf angesprochen worden. Also hatte ihr Sohn sie sicher auch gehört. Man hatte ihn in der Schule damit aufgezogen, als er noch klein genug gewesen war, um zu weinen. Vor Jahren, er war ihr kaum bis zur Taille gegangen, hatte er sie einmal gefragt, ob davon denn irgendetwas stimmte. Hatte wirklich sein Vater diese schreckliche Maschine konstruiert und damit die Stadt zerstört, bis Teile davon in den Erdboden eingebrochen waren? Hatte wirklich er den Fraß gebracht?
»Ja«, hatte sie ihm sagen müssen. »Ja, so ist es gewesen. Aber ich habe keine Ahnung, warum. Er hat es mir nie gesagt. Bitte frag nicht mehr danach.«
Zeke hatte nicht mehr danach gefragt, obwohl sie sich manch mal sogar gewünscht hatte, dass er es täte. Wenn er gefragt hätte, hätte sie ihm vielleicht auch etwas Gutes erzählen können – etwas Schönes. Es war ja nicht alles nur Angst und Unverständ nis gewesen. Sie hatte ihren Mann einmal geliebt, und dafür gab es Gründe, und manche davon waren nicht nur auf die Naivität eines jungen Mädchens zurückzuführen gewesen, und es war auch nicht nur ums Geld gegangen. Gewiss, sie hatte von seinem Reichtum gewusst – und vielleicht hatte das Geld es ihr auch ein klein wenig leichter gemacht, naiv zu sein. Aber es war nie ausschließlich ums Geld gegangen.
Sie hätte Zeke Geschichten von heimlich geschickten Blumen erzählen können; von Briefen, mit einer Tinte geschrieben, die geradezu magisch gewesen war, wie sie funkelte, dann kurz aufloderte und verschwand. Charmante Geräte und reizende Spiel zeuge waren ins Haus gekommen. Einmal hatte Leviticus eine Brosche für sie angefertigt, die wie ein Mantelknopf aussah, aber wenn man den filigranen Rahmen drehte, ließ ein winziges Uhrwerk im Innern
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