Boneshaker - Priest, C: Boneshaker - Boneshaker
überfliegen – dabei fiel Briar ihr eigener Name auf, oder zumindest ihr alter Name.
9. August 1864 . Polizei hat Haus von Leviticus und Briar Blue durchsucht, konnte jedoch keine neuen Erkenntnisse bezüglich des Boneshaker-Zwischenfalls gewinnen. Hinweise auf Straftaten häufen sich, während Blue weiterhin unauffindbar bleibt. Ehefrau hat keine Erklärung für Testlauf der Maschine, welche beinahe die Grundfesten der Stadt zum Einsturz gebracht und mindestens dreißig Menschen sowie drei Pferde das Leben gekostet hat.
11. August 1864 . Briar Blue nach dem Einsturz des vierten Bankgebäudes in der Commercial Street erneut von der Polizei vernommen. Von ihrem Mann fehlt jede Spur. Ihre Rolle während der Ereignisse der Boneshaker-Katastrophe bleibt unklar.
Briar kannte diese Artikel. Sie konnte sich noch erinnern, wie sie versucht hatte, Appetit für das Mittagessen aufzubringen, während sie die vernichtenden Berichte überflog, ohne zu wissen, dass ihre Übelkeit von mehr herrührte als von der Belastung durch die Ermittlungen. Aber woher hatte Ezekiel die Berichte, wie war er an sie herangekommen? Die Zeitungen, aus denen sie stammten, waren vor sechzehn Jahren gedruckt und in einem Bereich der Stadt ausgeliefert worden, der seit beinahe ebenso langer Zeit verlassen und hermetisch abgeriegelt war.
Briar rümpfte die Nase. Sie nahm Zekes Kopfkissen, zerrte den Bezug herunter und stopfte die Papierfetzen hinein. Allzu gefährlich waren sie sicher nicht gewesen, dort unter seiner Matratze; aber je dicker sie sie einpackte, desto besser fühlte Briar sich. Sie wollte sie nicht einfach nur verstecken oder einpacken – sie wollte sie begraben. Aber darum ging es eigentlich nicht.
Zeke war noch immer nicht nach Hause gekommen, und Briar hegte den Verdacht, dass das heute Abend auch nicht mehr passieren würde.
Und das war noch, bevor sie den Brief fand, den er ihr auf dem Tisch im Speisezimmer hinterlassen hatte und an dem sie glatt vorbeigelaufen war. Die Nachricht war kurz und unverblümt. Sie besagte: »Mein Vater war unschuldig, und ich kann es beweisen. Mir tut das alles leid. Ich komme zurück, sobald ich kann.«
Bebend vor Wut stand Briar da, den zerknüllten Brief in der Hand, bis sie sich mit einem wilden Schrei Luft machte. Ihr Schrei würde zweifelsohne die Nachbarn erschrecken, aber deren Meinung scherte sie so wenig, dass sie ihm noch einen zweiten folgen ließ. Als es ihr davon auch nicht besser ging, konnte sie es nicht lassen, ein drittes Mal zu schreien und dann den nächstbesten Stuhl zu nehmen und quer durchs Zimmer gegen den Kaminsims zu schleudern.
Der Stuhl zerbarst, und während seine Einzelteile noch auf den Boden polterten, war Briar bereits auf der Veranda und rannte mit einer Laterne die Stufen hinab.
Sie band sich im Gehen den Hut fest und zog im Laufen ihren Mantel enger. Der Regen hatte deutlich nachgelassen, aber der Wind wehte so rau wie immer, und sie stemmte sich ihm entgegen, immer den Hügel hinab und das Watt entlang bis zu dem einzigen Ort, an dem sie Ezekiel jedes Mal mit einigerma ßen großer Wahrscheinlichkeit hatte aufstöbern können, wenn er lange genug fortgeblieben war, dass sie sich Sorgen machte.
Unten beim Wasser hatten Nonnen in einem dreistöckigen Gebäude, das früher einmal ein Lager und später ein Bordell gewesen war, eine Zuflucht für Kinder eingerichtet, denen der Fraß die Eltern genommen hatte.
Das Waisenhaus der Barmherzigen Schwestern hatte eine ganze Generation von Jungen und Mädchen aufgezogen, die es ohne Aufsichtspersonen irgendwie am Fraß vorbei bis an den Stadtrand geschafft hatten, und inzwischen waren selbst die Jüngsten der ursprünglichen Bewohner in dem Alter, dass sie sich entweder eine eigene Wohnung suchen oder Kirchenarbeit leisten mussten.
Unter den älteren Jungen gab es einen gewissen Rector »Wreck’em« Sherman – einen Burschen, der mindestens siebzehn Jahre alt und wohlbekannt dafür war, mit der verbotenen, dafür aber umso begehrteren Zitronenmasse zu handeln. Bei dieser billigen Droge handelte es sich um eine gelbliche, körnige, pastöse Substanz, die aus dem Fraßgas destilliert wurde und deren Wirkung angenehm, aber verheerend war. Man erhitzte sie und inhalierte den Rauch, um in seliger Apathie dahinzudämmern, bis der chronische Gebrauch einen umbrachte … was seine Zeit dauerte.
Zitronenmasse schädigte nicht nur den Verstand, sie ließ auch Körpergewebe absterben. Gangräne bildeten sich und breiteten
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