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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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der Apparat außerhalb seiner Reichweite im Wohnzimmer steht. Schweigend und ohne sich umzusehen, betritt er das quadratische eheliche Schlafzimmer. Tineke hat das Bett gemacht und die terracottafarbenen Vorhänge aufgezogen. Der senfgelbe Teppichboden verwandelt Aarons Schuhe in lautlose Pantoffeln. «Komm», sagt er und öffnet die Tür zum Ankleidezimmer.
    Gestern Nacht stand er um halb drei hellwach neben seinem Bett und angelte sein Portemonnaie aus der Hosentasche, lauschte mit einem Ohr auf Tineke, mit dem anderen auf die unruhige Stadt. In der Sommerdunkelheit war er die Treppe ins Obergeschoss hinaufgestiegen. Überall im Haus offene Fenster, in den Zimmern die geschwängerte Sommerluft. Auf Zehen schlich er am Gästezimmer vorüber, in dem die beiden schliefen, am Ende des Gangs öffnete er sein Arbeitszimmer, zog die Fenster über seinem Schreibtisch zu, schob einen Stapel Akten in eine Ecke der kühlen Tischplatte und schaltete im Licht der Schreibtischlampe seinen Laptop an. Er ging auf die Website, zum ersten Mal seit Monaten. Dazu bedurfte es eines gewissen Muts. Eine Wand aus sieben Zentimetern Gips, und dahinter das Paar im Gästebett. Das Einwählen des Modems klang wie das Läuten eines Glockenspiels. Er wusste sehr genau, dass er keinen Schritt weiterkommen würde, und außerdem: Was sollte er schon tun? Durch die Wand springen und die beiden aus dem Bett zerren? Ihnen eine ordentliche Tracht Prügel verabreichen? Sich schluchzend zwischen beide werfen? Die Startseite schockierte ihn erneut, eine Erfahrung, die jener selbstgenügsamen, zwei, drei Monate währenden Begierde, an die er sich erinnerte und die er, ein zufriedener Lustmolch ohne Skrupel, arglos genossen hatte, diametral gegenüberstand. Der Anblick des stilisierten Mädchenfotos auf der Startseite (natürlich beruht Ähnlichkeit nicht auf Augen- oder Haarfarbe, das war ihm sofort klar, sondern auf Formen, auf Gesichtszügen, dem unverwechselbaren Dreieck aus Mundwinkeln und der Rundung des Kinns, Licht und Schatten auf den relativ breiten Kiefern, dem haarfeinen Bogen der Augenbrauen) stürzte ihn in eine panikartige Traurigkeit. Er hatte seine Kreditkarte zwischen den anderen Scheckkarten hervorgefummelt und angefangen, die Anmelde-Seite auszufüllen, eine komplizierte Angelegenheit, bei der willkürliche Folgen von Zahlen und Buchstaben eingegeben werden mussten, was dreimal misslang, weil er sich vertippte, und dann noch einmal, weil das Modem ihn aus dem Netz warf. Der Sitz seines ledernen Drehstuhls klebte an seinen nackten Oberschenkeln.
    Als er sich zum vierten Mal einwählte, hörte er durch das gnadenlose Pfeifen und Piepen hindurch, dass eine Tür aufging. Da war jemand im Flur. Joni oder Aaron. Sein Herz blieb stehen, postum schaltete er die Schreibtischlampe aus, versuchte, eine Hand auf der Maus, das Internet wegzuklicken, ungeschickt, vergeblich, die Seite blockierte, und dann klappte er einfach den Laptop zu.
    Er spitzte die Ohren und horchte in die plötzlich vom Summen befreite Finsternis. Erst nach einigen beklemmenden Augenblicken, in denen er immer wieder die Zimmertür auffliegen sah, hörte er in der Ferne ein Knarren, das Knarren der untersten Stufen der offenen Treppe, die zur Diele hinunterführte. Warum, das verstand er nicht; Joni und Aaron hatten eine eigene Toilette im Badezimmer vorn im Flur. In der linken Hand hielt er einen Locher, den er immer wieder vorsichtig zusammendrückte, bis er ihm aus der Hand rutschte und krachend auf den Teppich fiel. Er bückte sich, fand tastend heraus, dass der durchsichtige Plastikboden noch das Auffangfach verschloss. Er wartete und wartete, bis ihm dämmerte, dass er die Rückkehr überhört haben musste. Er wartete noch eine Weile und schlich dann wie ein Dieb in einer Lagerhalle zurück ins eheliche Schlafzimmer, wo er zu seiner Beunruhigung ein leeres Bett vorfand. Er legte sich auf seine Seite und stellte sich schlafend, als Tineke wiederkam und sich im dunklen Badezimmer die Zähne putzte.
    «Wo warst du?», fragte sie, als sie das Zimmer betrat. Er schwieg. Nachdem sie schwer atmend die Fracht ihres Körpers ins Bett hatte sinken lassen, sagte sie: «Ich weiß, dass du wach bist.»
    «Auf der Toilette», sagte er.
    «Stimmt nicht», sagte sie.
    «Doch – oben. Unten war besetzt. Und du? Hast du was gegessen?»
     
    Nach seinem Abenteuer in Almelo war er in ein schlafendes Bauernhaus gekommen. Er hatte seine Sachen in der Waschküche ausgezogen und in den

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