Bony und die weiße Wilde
auch das Elend über die Menschheit.«
»Gott, wie schrecklich!« rief Emma, und Elsie kicherte.
»Da gibt es nichts zu lachen«, wies Sasoon seine Frau zurecht. »Fahren Sie fort, Nat. Was hat es mit diesem Koffer auf
sich?«
»Ich fand ihn am Ende einer langen und beschwerlichen Reise und habe alle Vorkehrungen getroffen, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Niemand darf also den Koffer berühren. Ich werde die Schnappschlösser mit dem Messer öffnen. So!« Der Kofferdeckel schnappte leicht auf, und Bony reichte Elsie das Messer. »Und nun drücken Sie den Deckel in die Höhe.«
Sasoons Frau nahm das Messer und blickte Bony ein wenig fassungslos an. Die übrigen saßen regungslos und schweigend bis auf Karl - er stieß laut die Luft durch die Nase und riß die Augen weit auf. Elsie schob das Messer unter den Kofferdeckel und klappte ihn auf. Dann kicherte sie erneut.
»Legen Sie die Hemden auf die Seite, ohne den Koffer zu berühren«, bat Bony, und Elsie nahm vier gewaschene und gebügelte Oberhemden heraus. »Nun diese Krawatten. Danke. Jetzt die Schuhe. Sie sind schmutzig, nicht wahr? Dann Sportjackett und Hose. Da - dieses Buch. Aha, Oscar Wilde! Das Rasierzeug. Moment, lassen Sie diesen großen Umschlag, bitte.«
Der Umschlag war ungefähr fünfundvierzig mal dreißig Zentimeter groß, sehr dick und unverschlossen. Bony lehnte ihn mit dem Messer gegen den Kofferrand und öffnete ihn.
»Donnerwetter!« entfuhr es Sasoon.
»Sieh dir das an, Emma!« rief Elsie aufgeregt.
In dem Umschlag steckten dicke Bündel Geldscheine in australischer Währung.
11
Am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang machte Bony sich gemeinsam mit Breckoff und den beiden Eingeborenen auf den Weg, um hinter dem Beobachtungsstand das Lager zu errichten. Emma bekam ihn erst zum Mittagessen wieder zu Gesicht. Man hatte nicht auf ihn gewartet, und Karl erklärte gerade, der vergangene Abend sei viel schöner gewesen als sonst mit der üblichen Vorleserei.
»Sie scheinen ja heute morgen schwer gearbeitet zu haben«» meinte Matt sarkastisch.
»Gearbeitet! Mein Chef behauptet, daß ich überhaupt nie ernstlich arbeite. Na, freuen Sie sich auf unseren Besuch bei den Rhudders, Emma?«
Emma erwiderte, ihre Gefühle seien ziemlich gemischt, aber Karl versicherte ihr, sie brauche sich nicht um das Haus zu sorgen, er bleibe in der Nähe.
»Es wird schon alles glattgehen«, beruhigte Bony sie. »Wir werden sehr nett sein und uns prächtig unterhalten. Ich denke, um zwei sollten wir losfahren. Das bedeutet nach meiner Erfahrung mit den Frauen, daß Sie um halb drei abfahrbereit sein werden. Dann sind wir um drei an der Lagune.«
»Wir haben uns den Kopf zerbrochen, wo Sie den Koffer gefunden haben mögen«, sagte Karl, worauf Bony laut lachte.
»Er scheint ja heute sehr fröhlich zu sein, nicht wahr, Emma?« bemerkte Matt. »Er ist direkt aus dem Häuschen. Er sagt uns nicht, wo er den Koffer gefunden hat. Er verschweigt uns ebenfalls, wie er ihn aus dem hohlen Baum heruntergeholt und mit dem Pferd hierhergebracht hat.«
»Aber, aber!« rief Bony mit spöttischem Tadel. »Wenn ich Ihnen jetzt schon jede Einzelheit erzähle und Vorschußlorbeeren einheimse, hätten Sie sich ja völlig verausgabt, wenn ich Freund Marvin in Handfesseln verpackt Sergeant Sasoon übergebe.«
Während der Fahrt zur Lagunenfarm war Bony etwas gesprächiger.
»Wo ich den Koffer fand, spielt gar keine Rolle. Ich zog ihn mit einem Stück Draht aus dem hohlen Baum und hielt ihn während des Nachhauseritts am Griff. Aber Schwarze Tulpe scheint eine Abneigung gegen Koffer zu haben. Übrigens ein seltsamer Name für ein solches Streitroß. Breckoff meinte, er ziehe ein Pferd dem Büroschemel vor. Nun hat er ja Gelegenheit, den Beweis zu erbringen. Vielen Dank, Matt, daß Sie den Leuten die Pferde zur Verfügung gestellt haben.«
»Gern geschehen, Nat. Wozu brauchen sie die Pferde denn?«
»Sie reiten das gesamte Gelände ab, um nach Marvins Spuren Ausschau zu halten. Wir wissen ja nicht, ob der Bursche überhaupt noch hier ist, wir können es nur hoffen. So, da wären wir. Dort an der Gartentür steht bereits Jeff Rhudder mit seiner Frau.«
Emma konnte sich nicht entsinnen, daß ihr je die Wagentür geöffnet worden war, aber heute geschah es bereits zum zweitenmal. Eine kräftige braune Hand ergriff ihren Arm und half ihr aus dem Auto. Bony warf die Wagentür zu und folgte Emma und Matt, die auf die Gastgeber zugingen. Emma trug ein grünes Kleid. Ihr
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