Bookman - Das ewige Empire 1
geändert ⦠er ist
und bleibt scheintot.« Er blickte auf und sah Orphan an. »Sie und ich, wir sind
uns gar nicht so unähnlich. SchlieÃlich suchen wir beide nach einer Lösung, um
dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.«
»Genug jetzt!«, sagte Orphan. »Wer sind Sie? Was sind Sie? Was
wollen Sie?« Er merkte, wie abermals Wut in ihm aufstieg, begleitet von etwas,
das Panik ähnelte. Er mochte diesen Mann nicht, und sein Bruder war ihm völlig
egal.
»Die Fragen, die Sie stellen, sind in der Tat sehr verständig«,
erwiderte Mycroft, dessen Gesicht einen nahezu jovialen Ausdruck annahm. »Wie
ich gehört habe, sind Sie ein vielversprechender junger Dichter. Genauigkeit
und Direktheit sind vortreffliche Eigenschaften bei einem Dichter.«
Orphan machte Anstalten, sich zu erheben. Mycroft schüttelte den
Kopf. »Lassen Sie das«, empfahl er. Er schnippte mit den Fingern, worauf sich
wie aus dem Nichts der schweigsame Butler neben ihm materialisierte.
Orphan sah aus dem Fenster. Die Erde befand sich weit unter ihm. Er
sank auf seinen Sessel zurück.
Der Butler verschwand wieder.
Er treibt sein Spiel mit mir, dachte Orphan. Aber was für eine Art
Spiel war das, dieses seltsame Hin und Her von Fragen und vagen Antworten, von
Dingen, die zwar angedeutet, jedoch nicht ausgesprochen wurden? Was wollte der
fette Mann eigentlich von ihm? Er hatte sich selbst als jemanden vorgestellt,
der mit der Regierung zusammenhing â nun, das war klar. Aber wessen Interessen
vertrat er? Und was wollte er von ihm?
Was für ein bizarres Verhör, dachte Orphan weiter. Fast als ob er es
wäre, der Antworten aus Mycroft herausbekommen musste, und nicht umgekehrt.
Oder vielleicht ging es weniger darum, die Antworten herauszubekommen, als sie
zu entschlüsseln. »Auf dem Hahnenkampfplatz â¦Â«, sagte er.
»Ja?«
»â¦Â da haben Sie dem Kampf überhaupt nicht zugesehen.«
»Stimmt.«
»Waren Sie meinetwegen dort?«
»Was glauben Sie?«
»Ich glaube, nein.«
Mycroft nickte. »Sehr gut«, sagte er.
»Sie arbeiten für die Regierung, aber Sie gehören ihr nicht an. Sie
haben die Macht, ein schwarzes Luftschiff zu requirieren, und Sie betrachten
sich selbst als Schaltstelle für Informationen. Folglich müssen Sie zum
Geheimdienst gehören.«
Mycroft neigte leicht den Kopf. »Das liegt auf der Hand«, entgegnete
er. »Aber fahren Sie fort.«
»Was bedeutet, dass Sie ein treuer Diener der Lézards sind.«
»Ich diene Britannien«, stellte Mycroft ein wenig steif richtig.
Orphan nickte nachdenklich. »Das finde ich ziemlich verwirrend«,
sagte er. »Hier scheinen so viele Parteien im Spiel zu sein, dass ich nicht
mehr durchblicke. Sie behaupten, dem Empire zu dienen, hinsichtlich der Lézards
schweigen Sie sich jedoch aus.« Er lächelte, was ihm, wie er merkte, zu einer
Grimasse geriet. »Sie haben Jack beobachtet.«
»Jack â¦Â«, sinnierte Mycroft und lächelte ebenfalls, was auch bei ihm
verkrampft wirkte. »Ihren Freund Jack. Stimmt. Ein interessantes Individuum.
Aber er war natürlich nicht allein, nicht wahr, Orphan? Er war mit diesem
europäischen Unruhestifter Marx zusammen und dieser schönen, zu allem
entschlossenen Frau, Isabella Beeton ⦠Ja, ich habe sie in der Tat beobachtet.
Und Sie habe ich auch beobachtet. Werden Sie sich ihnen anschlieÃen?«
Die Frage überraschte Orphan. »Bereitet Ihnen das Sorge?«, fragte er. »Meinen Sie, sie stellen eine Gefahr für das Empire
dar?«
Mycroft zuckte die Achseln. »In dieser Stadt gibt es hundert
verschiedene Gruppen, Organisationen und Geheimgesellschaften, die alle planen,
die Echsen oder die Regierung zu stürzen oder sogar meine eigene Abteilung zu
Fall zu bringen. Stellen die eine Gefahr dar? Durchaus möglich.«
Er fiel in brütendes Schweigen. Erneut warf Orphan einen Blick aus
dem Fenster. Gerade flogen sie über den Palast, diese groÃe, grünliche
Pyramide, die wie ein im Sternenlicht schimmerndes Grabmal aus dem Häusermeer
der Hauptstadt aufragte. Er sah die Königlichen Gärten, die silbrig glänzenden
Teiche, die der Schatten des Luftschiffs streifte. »Was wollen Sie von mir?«,
fragte er.
Auch Mycroft sah aus dem Fenster. Nach einer Weile wandte er sich
wieder Orphan zu. »Ich möchte, dass Sie den Bookman finden«, sagte
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