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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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Sonnenlicht fernhielten. Es war
ein schmaler Durchgang, etwas wie ein Kratzer im Gesicht der Stadt, eine dünne
Linie, die den Strand mit der Maiden Lane verband. Dort war es so eng, dass man
noch nicht einmal Gaslaternen aufstellen konnte. Hundertmal mochte man, wenn
man den belebten Strand entlangging, an diesem verborgenen Weg vorbeikommen,
ohne ihn je zu bemerken.
    Auf der linken Seite, ans Adelphi angrenzend, befand sich natürlich
ein Pub. Pubs gab es überall. Wo immer man in der Hauptstadt hinkam, stieß man
auf einen, selbst da, wo man ihn am wenigsten erwartete. Pubs waren der Leim,
der die Gesellschaft zusammenhielt, feste Bestandteile von Geschichte und
Kultur, so beständig und allgegenwärtig wie das schlechte Wetter.
    Dieser Pub hier war in einem kleinen unscheinbaren Gebäude
untergebracht, das wie ein Rußfleck auf grauen Mauern mit seiner Umgebung
verschmolz. Die kleinen viereckigen Fenster sahen wie die dunklen Brillengläser
eines pensionierten Professors aus. Früher hatte der Pub Bull’s Head geheißen,
doch sein frivoler neuer Besitzer hatte ihm den Namen The Nell Gwynne gegeben,
und auf dem Schild über der Tür war die berühmte Schauspielerin dargestellt –
die in Covent Garden aufgewachsen und im Theatre Royal aufgetreten war und von
der man hinter vorgehaltener Hand erzählte, sie sei die Geliebte von Charles
II. gewesen, den die Leute immer noch den Fröhlichen König nannten –,
umschlungen von einem lächelnden Echserich, dessen schimmernde Schuppen von
ihrem blassen Fleisch abstachen, denn beide waren nackt. Wie Orphan fand, war
es typisch für seinen Freund, dass er ein solches Schild hatte anfertigen
lassen. Kopfschüttelnd streckte er die Hand aus und klopfte an die niedrige
Tür.
    Erst nachdem er mehrmals und jedes Mal lauter angeklopft hatte,
öffnete sich endlich die Tür, und Tom Thumb erschien, mit zerzausten Haaren und
verdrossenem Gesicht, das jedoch einen besorgten Ausdruck annahm, als er Orphan
erblickte.
    Â»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte der kleine Mann und packte
Orphan beim Arm, um ihn in den Pub zu ziehen, dessen Tür er mit einem gekonnten
Tritt hinter sich schloss. »Setz dich, Kumpel. Du siehst ja furchtbar aus.«
    Er drückte Orphan auf einen roten Samtsessel vor dem Kamin, in dem
ein großer Baumstamm langsam vom Feuer verzehrt wurde, das behagliche Wärme
spendete. Nachdem Orphan dankbar Platz genommen hatte, schlug die Müdigkeit wie
eine Welle über ihm zusammen, sodass ihm langsam die Augen zufielen.
    Ein Kichern veranlasste ihn, die Augen wieder aufzureißen. Auf der
anderen Seite des kleinen Raums (schon bei seinem ersten Besuch im Nell Gwynne
war Orphan zu dem Befund gekommen, dass der Pub ungefähr die Größe eines
geräumigen Schranks hatte) stand ein breites Bett auf einer Erhöhung, die
früher einmal zum Aufstellen von Tischen für die Gäste gedient haben mochte. In
dem Bett saßen zwei junge Frauen – jede von ihnen gut doppelt so groß wie sein
Freund –, deren Blöße nur unvollkommen von einem Laken verdeckt wurde. Tom
hatte sich hinter den langen Tresen begeben, um einen Drink zu mixen. »Wir
haben gerade ein bisschen gefeiert, als du aufgekreuzt bist«, erklärte er. »Orphan,
darf ich dir meine lieben Freundinnen Belinda und Ariel vorstellen. Mädels, das
ist Orphan.« Er drehte sich zu Orphan um und grinste ihn verlegen an. »Erst
gestern Abend hab ich ihnen von dir erzählt.«
    Â»Du armes Ding!«, riefen die beiden Mädchen im Chor, sprangen aus
dem Bett – das herabgleitende Laken enthüllte zwei vollendete nackte
Rubensfiguren – und kamen zu Orphan geeilt, um ihn zu trösten. »Das ist ja
alles so traurig«, sagte die eine von ihnen – wer
Belinda und wer Ariel war, wusste er nicht –, während die andere hinzufügte:
»Du bist ja so tapfer gewesen!« Dann wandte sie sich
zur Bar und rief: »Tom Thumb, hör auf, da rumzumachen, und bring deinem Freund
was zu trinken! Du siehst doch, in welchem Zustand er ist!«
    Â»Komme gleich!«, knurrte Tom. »Bei einem Drink darf man nichts
überstürzen, du Nervensäge!«
    Leicht verwirrt ließ Orphan es sich gefallen, dass die zwei Mädchen
Kissen für ihn zurechtrückten und ihm die Schuhe auszogen. Anschließend nahmen
sie links und rechts von ihm Platz, um ihn mit großen,

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