Bookman - Das ewige Empire 1
Als sie fertig waren,
reckte sich Verne, seufzte zufrieden und stand auf. Orphan begriff, dass es
Zeit war aufzubrechen, und erhob sich ebenfalls. Ihm war ein wenig bange
zumute, gleichzeitig war er jedoch auch gespannt. Immer wieder musste er an die
Bücher denken, die er gelesen hatte. Abenteuer auf hoher See! Er lächelte in
sich hinein. Verne bemerkte es und lächelte ebenfalls. Einen Moment lang waren
sie wie zwei Jungen, und die Zukunft schien ein heiteres Spiel zu sein, das den
ganzen Nachmittag dauern würde.
»Sind Sie bereit?«
»Jawohl.«
»Dann lassen Sie uns gehen.«
Und das taten sie.
Der Klipper war ein prächtiges Schiff. Vom Deck strebten
drei Masten in die Höhe, deren gereffte weiÃe Segel weit über ihnen wölkten.
Der Rumpf aus Metall und Holz war lang und schmal, aus den Luken in der
Bordwand ragten Kanonen â Achtzehnpfünder, wie Orphan später erfuhr. Die
Matrosen waren bereits an Bord gegangen und mit Vorbereitungen zur Abfahrt
beschäftigt.
»Damit fahren wir also?«, erkundigte sich Orphan.
»Das Schiff wurde in Birmingham gebaut«, erklärte Verne voller
Stolz. »Ist früher auf der Handelsroute nach Indien eingesetzt worden und hat
einige Blessuren davongetragen. Dort zum Beispiel ⦠da wurde es vor ein paar Jahren
von der Kugel eines Piratenschiffs getroffen. Aber es ist stabil und schnell.«
»Und sehr groÃ. Wie viele Leute mussten eigentlich in alles
eingeweiht werden?«
Verne lächelte. »Nur der Kapitän. Ein kauziger alter Typ. Die
Mannschaft weià von nichts beziehungsweise nur, dass das Schiff Fracht nach
Kingâs Town bringt â das liegt auf Xaymaco, das auf einigen Karten als Jamaica
bezeichnet wird. Wir sind nur Passagiere, zusätzliche Fracht, wenn Sie so
wollen.«
»Ich dachte â¦Â« Orphan verstummte. Eigentlich hatte er sich bisher
keine Gedanken darüber gemacht, wie er die Insel erreichen sollte. »Vielleicht
wäre ein Dampfschiff â¦Â«
»Ein Dampfschiff!«, erwiderte Verne, indem er sich den Bart raufte.
»Diese Monster verunreinigen und zerstören den Ozean. Die haben keine Seele!«
»Ich dachte, über solche Schiffe schreiben Sie Geschichten«, sagte
Orphan.
»Bei manchen Dingen ist es besser, wenn sie nur in Büchern
vorkommen«, entgegnete Verne.
Orphan schwieg. Sie gingen an Bord, wo sie sich alle Mühe gaben, den
Matrosen nicht in die Quere zu kommen. Robur eilte mit Vernes Gepäck voraus.
Orphan hatte nur ein kleines Bündel, das er selbst trug.
Der Wind zerzauste ihm das Haar, das, wie er bemerkte, allmählich
ziemlich lang wurde. Nach dem Aufstehen hatte er sich vor einem riesigen
Spiegel rasiert, umgeben von Gemälden für Bucheinbände, die an den Wänden
hingen und futuristische Vehikel oder bedrohliche Situationen zeigten. Er hatte
sich fast geschnitten, doch als er jetzt an der Reling stand, empfand er es als
angenehm, wie ihm der Wind über die glatten Wangen strich. Er hob den Kopf und
atmete die Meeresluft ein. Abenteuer, dachte er. Piraten, geheime Karten und
Schatzinseln. Er fühlte sich gut, frisch und lebendig, und all seine
Entschlossenheit stellte sich wieder ein. Er würde diese Sache durchziehen und
zurückkehren.
Orphan folgte Verne, der Robur folgte, der wiederum einem etwa
sechzehnjährigen Jungen folgte, der in unverkennbarem Seemannsgang das Deck
überquerte. Orphan und Verne hatten benachbarte Kabinen, die im Zwischendeck
lagen, in der Nähe des Bugs.
Orphan hielt sich nur ein paar Minuten in der Kabine auf, um seine
Habseligkeiten zu verstauen. Dann kehrte er aufs Deck zurück, wo er sich einen
Platz suchte, von dem aus er alles im Blick hatte, ohne jemandem im Wege zu
stehen.
Einige der Matrosen hievten die Fracht an Bord, groÃe, offenbar
schwere Holzkisten. Was sie enthielten, konnte Orphan nicht feststellen. Ein
anderer Teil der Mannschaft war mit Dingen beschäftigt, von denen er nichts
verstand. Die Szene erinnerte ihn stark an die Londoner Docks mit ihren
ankommenden und abfahrenden Schiffen, den geschäftig hin und her eilenden
Lastträgern, Seemännern, Kaufleuten und Amtspersonen ⦠und dem Gesang der Wale,
der aus der Ferne herübertönte.
»Willkommen auf der Nautilus «, sagte dicht
hinter ihm eine tiefe Stimme.
Als Orphan sich umdrehte, sah er sich einem dunkelhäutigen Mann mit
scharfen, strengen Gesichtszügen
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