Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Stellung anhand Ihrer Familiengeschichte beurteilt und danach, zu welchen anderen Familien Verwandtschaftsverhältnisse bestehen und welche Erziehung und Bildung Sie genossen haben. Havelock bezog Stellung zu Angelegenheiten wie der Reinheit niederer Adelslinien. Er verlangte eine radikale Umstrukturierung des englischen Klassensystems sowie die bedingungslose und endgültige Vertreibung aller Kolonisten aus England.«
Eliza nickte und nahm einen Schluck von ihrem gesüßten Tee. »Und Sie haben also Hochachtung vor diesem elenden Hundsfott, ja?«
Wellington hatte sich gerade eine weitere Tasse Tee eingeschenkt. Jetzt schaute er auf, sah seine Kollegin mit zusammengekniffenen Augen an.
»Sie musste natürlich Einwände erheben«, höhnte die Stimme seines Vaters. »Sie ist eine Kolonistin. Immer gleich auf die Barrikaden, sobald das Empire einmal die Augen öffnet und sich um seine eigenen Leute kümmert.«
»Ich respektiere und bewundere die wissenschaftliche Arbeit des Mannes. Und ich finde es überaus tragisch, dass ein solch brillanter Geist entstellt wird durch derart« – die Teetasse in seiner Hand klapperte leicht – »weltfremde politische Ansichten. Durch seine anarchistischen Parolen ist er bei der Königin betrüblicherweise in Ungnade gefallen; er wird nur noch selten eingeladen, sich zu wissenschaftlichen Themen zu äußern. Daher ist sein Bekanntheitsgrad nicht mehr so groß, wie er einst war.« Wellington nippte an seinem Tee und fügte noch hinzu: »Und in den letzten Jahren sind die Einladungen noch seltener geworden, da er in seinen Vorträgen vermehrt dazu neigte, vom Thema abzuweichen.«
»Und irgendwann hat Havelock sich schließlich den Deckmantel der Gesellschaft des Phönix umgelegt.«
»Ja«, sagte Wellington und deutete auf den Phonographen, »und für die steht jetzt ein weiteres Initiationswochenende an.«
»Nun ja, nach Simons verfrühtem Ableben«, bemerkte Eliza, »ist in ihren Reihen ja offenbar eine Stelle frei geworden.«
»Zwei, würde ich meinen«, sagte Wellington und blätterte in seinem Notizbuch. »Ich bezweifle, dass sie Ehepaare und Familien dermaßen durchleuchten würden, um jemanden zu ersetzen, der für sie zu einem ungelösten Problemchen geworden war.«
»Also halten Sie Simons Ermordung nicht für eine abgekartete Sache?«
»Oh, doch, die war eindeutig arrangiert worden, aber dabei handelte es sich keineswegs um ein überstürztes Arrangement.« Wellington blätterte einige Seiten zurück zu den Notizen, die er während der Lauschaktion des vergangenen Abends gemacht hatte. »Ich denke, die Dienste der Mörderin wurden eher aus Bequemlichkeit angefordert und weniger aus einem Impuls heraus. Schließlich hielt sie sich gerade in der Stadt auf. Warum also nicht einfach ihr Honorar für weitere Dienste aufstocken?«
Eliza verzog angewidert das Gesicht. »Aus Ihrem Mund klingt das Ganze regelrecht anständig, Books.«
Ohne den Kopf zu heben, sah er sie eindringlich an. »Verwechseln Sie meine emotionslose Erörterung von Tatsachen und Theorien nicht mit Billigung oder gar mit Bewunderung. Ich sehe die Taten und das Verhalten des Geheimbundes und insbesondere dieses Schurken Devane als überaus verwerflich an. Ich ziehe lediglich meine Schlüsse aus dem, was ich sehe. Die Italienerin … «
»Dieses Miststück«, schäumte Eliza.
Wellington biss kurz die Zähne zusammen, ehe er fortfuhr. »Die Mörderin war angeheuert worden, um den Doktor zu eliminieren, und … «
Er schluckte. Wie konnte er sich anmaßen, sie für ihre Gefühle zu kritisieren? Die waren schließlich durchaus nachvollziehbar.
Nein, wies er sich scharf zurecht. Du musst dich von diesem Fall und den darin verstrickten Menschen lösen, wenn du ihn vernünftig aufklären willst. Anderenfalls wird deine Arbeit vergebens sein.
»Die Mörderin war angeheuert worden, um Dr. Smith und Agent Thorne zu eliminieren. Außerdem musste sie sich ohnehin um die noch zu lösenden Problemchen kümmern, warum also nicht auch gleich um Simon?«
»Ja, genau: Warum nicht?«, wiederholte Eliza.
Er legte die Stirn in Falten. »Eliza, wie hätten Sie das denn wissen sollen?«
»Ich hätte es eben wissen müssen .«
»Ach ja, natürlich, angesichts Ihrer erstaunlichen Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken … « Wellington schüttelte den Kopf. »Es war ein ungelöster Fall, im Archiv vergraben und, ja, vergessen. Dabei wäre es auch geblieben … « Und er verstummte.
»Sprechen Sie weiter, Books«,
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