Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
»Wollen wir es mit der Oper für heute Abend genug sein lassen? Brandy und Zigarren in unserer Wohnung?«
»Ja«, sagte Havelock, »das wäre doch famos.«
Unter dem Rattern von Zahnrädern und mit einem leisen Zischen hob sich die Nadel von der Walze, und die Aufnahmevorrichtung glitt heraus, als bettelte sie um einen weiteren akustischen Leckerbissen. Wellington überflog seine Notizen, dann schaute er zu Eliza auf, die jetzt in ihrer bevorzugten Kleidung vor ihm stand: schlichte Bluse und schlichte Hosen.
Ihm kam es fast schon ein bisschen so vor, als gewöhnte er sich langsam an ihren seltsamen Geschmack in puncto Garderobe. »Wie Sie soeben hören konnten, rechnet die Gesellschaft des Phönix offenbar mit einem recht angenehmen Wochenende.«
Eliza legte den Kopf sachte von einer Seite auf die andere und dehnte dann den Oberkörper mit einer Taillendrehung in beide Richtungen. Anschließend wandte sie sich über die Schulter an Alice, die noch mit den nassen Badetüchern in den Händen hinter ihr stand. »Hervorragende Arbeit, Alice. Und jetzt sei so gut und achte bitte in erster Linie auf die Tür, damit du meine anderen Gäste hereinlassen kannst, sobald sie eintreffen.«
»Sehr wohl, Miss Braun.« Sie knickste und wiederholte die Geste an Wellington gewandt. »Mr. Books.«
Er beobachtete, wie Eliza dem Mädchen mit einem gewissen Stolz im Blick nachsah; ein recht ungewöhnliches Gefühl einer bezahlten Hilfskraft gegenüber, und dennoch, es stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Welly«, hob Eliza an und schenkte sich dabei eine Tasse Tee ein, »Sie schienen mir ziemlich aufgeregt zu sein wegen dieses Havelock. Da habe ich mich gefragt, ob Ihr Übereifer uns nicht schon frühzeitig hätte verraten können.«
»Ich hätte natürlich nicht erwarten dürfen, dass Sie ihn kennen, wenn man bedenkt, in welch unterschiedlichen Kreisen wir uns bewegen.«
Eliza lachte spöttisch. »Ach ja? Na, dann klären Sie mich doch bitte auf.«
»Aber gern.« Mit diesen Worten zog er sein Notizbuch aus der Manteltasche, legte es neben seinen Frühstücksteller und nahm einen Schluck Tee, bevor er weitersprach. »Dr. Devereux Havelock gilt als Pionier moderner Technik. Es würde mich sehr überraschen, wenn Axelrod und Blackwell auch nur eines seiner Symposien besucht hätten, um sich inspirieren zu lassen.«
»Aber Sie, ja?«
»Um genau zu sein, habe ich sogar an mehreren teilgenommen. Der Mann ist ein Genie, seine Ingenieurskunst ohnegleichen. Er war der leitende Wissenschaftler, der 1887 für die Restaurierung der hochkomplizierten Mechanismen im Inneren von Big Ben verantwortlich war. 1889 entwarf er die HMS Pegasus, eine neue Luftschiffklasse, die in der kommerziellen Luftfahrt Geschichte geschrieben hat. Und noch im selben Jahr«, sagte Wellington voller Begeisterung ob dieser besonderen Erinnerung, »hat Dr. Havelock außerdem die HMS Mercury entwickelt, gebaut und erfolgreich gestartet. Ich kann mich sehr gut erinnern, wie ich ihren Aufschlag im Mare Serenitatis durch mein Teleskop beobachtet habe. Einige seiner Arbeiten durfte ich aus nächster Nähe bewundern, und seine Aufsätze über theoretische Studien zu Automatisierungstechniken sind absolut faszinierend. Manche seiner Ideen kommen mir ein wenig unglaub…«
»Welly«, unterbrach Eliza ihn, »meine Gedanken gehen schon seit Big Ben auf Wanderschaft. Also, für jene unter uns, deren Fantasie von den Wissenschaften weit weniger angeregt wird als Ihre, wie wäre es mit einer vereinfachten Darstellung? Was bringt einen hochangesehenen Gelehrten wie Havelock dazu, Großmeister einer Geheimgesellschaft zu werden?«
Wellington zögerte und starrte einen Augenblick stumm in seine Tasse. »Nun ja, Dr. Havelock ist zwar durchaus ein Genie, aber der Grund, warum Sie seinen Namen vielleicht nicht neben anderen Wissenschaftlern wie Tesla und dem irren McTighe nennen hören, ist der, dass er vor einigen Jahren anfing, Kolumnen zu schreiben, die rein gar nichts mit Wissenschaft und Forschung zu tun hatten. Der Inhalt dieser Kolumnen war eher … «, er schüttelte den Kopf und leerte seine Tasse, »politischer Natur.«
»Ach, der etwas kritischere Blick auf Königin Viktoria und ihr Reich?«
»Ja, aber er hat nicht etwa beim Unter- und Oberhaus haltgemacht. Er forderte haarsträubende Veränderungen in unserer Gesellschaft, in unseren sozialen Strukturen.«
»Als da wären?«
Wellington schauderte. »Stellen Sie sich eine Regierung vor, die Ihre soziale
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