Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Books hinaus auf den Gehsteig. Diesmal konnte sie der Versuchung, sich bei ihm einzuhaken, nicht widerstehen, und so lotste sie ihn in die kleine Gasse zum Ziel ihres Umwegs: Ye Olde Cheshire Cheese. Angesichts dieses fröhlichen Schildchens über der Tür blieb Books stehen und legte den Kopf auf die Seite. Er hatte eine solche Ähnlichkeit mit einem verwirrten Spaniel, dass Eliza sich ein Lachen verbeißen musste.
»Eine sehr interessante und geradezu dichterische Wahl, Miss Braun«, kommentierte er.
Ach, wollte er also wieder seinen gerühmten Intellekt vorzeigen, damit sie einmal mehr wie eine komplette Närrin dastand? Nun, es war an der Zeit, den Spieß umzudrehen. »Oh, Sie meinen Dickens und Johnson – oder gar den Hofdichter höchstselbst, Mr. Tennyson? Ja, ich glaube, sie alle verkehrten hier. Aber, aber, Books – Sie werden sich doch wohl nicht von ein paar Wortschmieden abschrecken lassen, oder?«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Gewiss nicht, Miss Braun. Ich hätte nur nicht gedacht, dass Sie diese Sorte von Lokal bevorzugen.«
Eliza wusste zwar, dass er sie mit dieser Bemerkung nicht hatte verletzen wollen, aber sie empörte sich dennoch. »Entgegen der allgemeinen Auffassung sind wir Kolonisten nicht allesamt ohne Kultur aufgewachsen. Aber vielleicht zeige ich Ihnen heute Abend etwas, worin wir richtig gut sind: im Trinken.« So mache ich es, beschloss sie. Ich werde diesen verstaubten Mann beschämen und ihm ein paar Hirngespinste austreiben. So alt ist er doch noch gar nicht. Es wird Zeit, dass er sich daran erinnert.
Und eine andere leise Stimme in ihrem Innern flüsterte: Wäre es nicht ein Heidenspaß herauszufinden, was sich unter seiner Politur verbirgt?
Im Cheese waren alle Wände sowie die Decke und der Tresen mit dunkelbraunem Holz vertäfelt, die Luft war verraucht, und als sie das Lokal betraten, verstummten die Gespräche, um schließlich gedämpft fortgesetzt zu werden. Die Gäste waren – wie in den meisten Pubs der respektierlichen Bezirke Londons – ausnahmslos männlichen Geschlechts. Doch Eliza war es gewohnt, dass sie die Blicke der Männer auf sich zog – manchmal las sie Begierde darin, manchmal Missbilligung und manchmal beides. Und, ja, heute eindeutig beides.
»Miss Braun«, wisperte Wellington hinter ihr. »Womöglich ist diese Schankwirtschaft doch keine so gute Wahl. Die Kundschaft besteht gänzlich aus Zeitungsschreibern, und die sind nicht an die Gesellschaft einer Dame gewöhnt … «
Eliza biss die Zähne zusammen, und, bei den Göttern, sie wünschte, sie hätte etwas Dynamit und ein Messer dabei. Doch in Ermangelung dessen nahm sie ihren Umhang ab und präsentierte somit ein gänzlich anderes Waffenarsenal, welches sie auch schon einmal in große Schwierigkeiten gebracht hatte. Als Wellington ihr eng geschnürtes Korsett sah, sog er scharf die Luft ein, was ihr eine gewisse Genugtuung verschaffte.
»Gütiger Gott, Miss Braun, haben Sie das etwa auch im Bedlam getragen?« Nur mit Mühe gelang es ihm, den Blick von ihren Rundungen loszureißen.
Eliza lachte. Für einen solch analytisch denkenden Mann legte er eine geradezu traurige Ahnungslosigkeit an den Tag. »Dort habe ich meinen Umhang natürlich anbehalten. Ich werde doch die Geisteskranken nicht mit etwas verlocken, das sie nicht haben können.«
»Demnach sind alle anderen sozusagen Freiwild für Sie?«
Ihre Antwort war ein durch und durch boshaftes Grinsen. Als gelehrter Mann war Books allerdings imstande, seine eigenen Schlüsse zu ziehen.
»Also«, fuhr Eliza entschlossen fort, während sie sich nach einem geeigneten Tisch umsah. »Sie besorgen die Getränke, ich suche uns einen Platz.« Zielstrebig steuerte sie auf einen Tisch in der Ecke zu, von dem sie den ganzen Raum im Blick behalten konnte, die Tür eingeschlossen.
»Miss.« Die schroffe Stimme des Wirts hinter der Bar durchschnitt die Stille. »Ich denke, dieser dürfte Ihren Wünschen entsprechen.« Er deutete auf einen großen, runden Tisch am Feuer, abseits der übrigen Gäste. Eine kleine Schatulle auf der ledernen Oberfläche diente als bescheidene Dekoration.
Die Agentin in ihr gab sich mit dem Platz zufrieden, doch als Gast betrachtete sie den abgelegenen Tisch mit leichtem Stirnrunzeln. Sie wollte gerade widersprechen, als sie bemerkte, dass der Blick des Wirts auf ihrem Busen ruhte. Es war jedoch kein anzüglicher oder lüsterner Blick. Schon juckte es ihr in den Fingerspitzen, aber sie konnte sich noch rechtzeitig davon
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