Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
abhalten, Harrys Medaillon zu berühren.
»Dieser Tisch gefällt mir in der Tat sehr gut«, sagte sie so unbeschwert wie möglich.
Wellington schnaubte, blickte von einem Tisch zum nächsten. Nachdem er sich schließlich damit abgefunden hatte, seinen Abend im Cheshire Cheese zu verbringen, fragte er: »Was darf es denn sein, Miss Braun?«
»Bier. Jede Menge Bier.«
Die Blicke der Zeitungsleute – von denen einige recht schäbig, andere nach der neuesten Mode gekleidet waren – folgten ihr zu dem Tisch und wandten kein Auge von ihrem großzügigen Ausschnitt. Harry hätte es als töricht bezeichnet, so viel Aufmerksamkeit zu erregen, aber das war genau in ihrem Sinne. Die Zeit für vernünftige, subtile Vorgehensweisen war längst vorbei.
Die dreiste Empfehlung des Wirts führte sie nicht ohne Grund an diesen speziellen Tisch. Ein flüchtiger Blick zum Tresen bestätigte ihr, dass Books sich mühte, die Aufmerksamkeit der Kellnerin auf sich zu ziehen, während deren Boss fortfuhr, Gläser zu spülen und die Neuankömmlinge verstohlen zu beobachten. Eliza nahm Platz und strich mit den Fingern über die Schatulle. Kein Schloss. Nur ein Hauch von Staub, den sie zwischen Daumen und Zeigefinger verrieb. In dem Kästchen befand sich ein Satz Spielkarten. Doch das Motiv auf der Rückseite war ihr noch nie untergekommen. War das ein Falke oder ein Adler?
»Ein Phönix.« Books war schneller zurückgekehrt, als Eliza es für möglich gehalten hätte. In der einen Hand trug er ein großes Glas, randvoll mit gutem, dunklem Starkbier, und in der anderen ein kleineres, angeschlagenes, mit Weißwein, wie es aussah – oder Essig. Er stellte beide Gläser vorsichtig auf den Tisch und nahm neben ihr Platz. »Keins der üblichen Motive für Spielkarten.«
War er nun auch noch ein Kenner des Kartenspiels? Na, dann wollen wir doch mal sehen, wie gut du dich wirklich damit auskennst! Eliza überspielte ihr Interesse an den Karten hinter einem kleinen Kunststück: dem einhändigen Charlier-Abheben, bei dem der komplette Kartensatz zunächst in einer Hand gehalten wird, um dann die untere Hälfte mit geschickten Fingern über die obere Hälfte zu klappen. Books machte große Augen. Es war zwar kindisch, aber Eliza lächelte.
»Mit Karten sind Sie also recht vertraut, wie ich sehe«, spöttelte Books. »Gut zu wissen.«
»Was bleibt einem auf der monatelangen Schiffsreise von Neuseeland nach England denn anderes übrig? Ein reizender Amerikaner hat mir ein, zwei Sachen beigebracht.« Bei der Erinnerung grinste sie breit. »Oder waren es sogar drei?« Sie hielt inne, dann kicherte sie. »Nein, es waren mindestens drei.«
Mit einer flinken Bewegung streifte sie die Karten in einer Reihe auf dem Tisch aus und ließ sie einige Male hin und her wandern, sodass abwechselnd die Vorder- und Rückseiten zu sehen waren.
»Ein Jammer, dass eine fehlt«, bemerkte Books, und Eliza musste ihr Kunststück unterbrechen, um zu erkennen, dass er recht hatte. »Die Herzdame«, fuhr der Archivar fort, ohne ihre plötzliche Regungslosigkeit zu beachten.
»Nicht schlecht, Welly«, sagte sie und nahm einen ordentlichen Schluck, um sich zu beruhigen.
Das Stimmengewirr der kameradschaftlich debattierenden Journalisten blieb unverändert, doch Eliza saß nur wie versteinert da. Sie starrte auf die einundfünfzig vor ihr ausgebreiteten Karten, und ihre Gedanken überschlugen sich bei der Frage, was das zu bedeuten hatte. Hatte Harry etwa die Herzdame gemeint, als er sagte »Ich habe sie gefunden, und jetzt hast du sie auch gefunden« ? Sie brauchte Zeit, um das herauszufinden.
Ihre Überlegungen fanden ein jähes Ende, als sie Books ansah. Geistesabwesend zeichnete er den Fuß seines Weinglases nach und zog dabei ein Gesicht, wie sie es vermutlich tat, wenn sie sich im Archiv aufhalten musste. »Warum trinken Sie denn nichts, Welly?« War ihre Gesellschaft ihm so zuwider?
Books räusperte sich und wirkte ein wenig beschämt. »Haben Sie mir denn gar nicht zugehört? Wie ich bereits erwähnte, ist das«, erklärte er und deutete auf die bierselige Betriebsamkeit im Lokal, »genau die Art und Weise, wie ich mich das letzte Mal in Schwierigkeiten gebracht habe.«
Eliza lächelte in ihr Bier. »Nur zu – erzählen Sie mir von ihr, von diesem Luder, das Ihnen den Kopf verdreht und Sie in die Falle gelockt hat.«
Unbehaglich rutschte der Archivar auf seinem Stuhl herum. »Ich würde sie lieber vergessen.« Doch dazu schien er außerstande zu sein,
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