Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Cross eine ordentliche Sauerei angerichtet.«
Ja, das waren genau die richtigen Leute. Also stellte sie sich kurzerhand selbst ein Bein und stolperte. Ihre Vorstellung wirkte überzeugender als die jeder Varietéschauspielerin – allerdings hatte sie ihr halbes Bier verschüttet und war so heftig gegen den größten der drei Männer geprallt, dass er seines fast ganz auf den Fußboden kippte. Ein stattliches Opfer.
Der Riese von einem Mann fuhr herum, wild entschlossen, den Trunkenbold zu verprügeln, der ihn völlig durchnässt und um sein Bier gebracht hatte, doch dann hielt er inne. Eliza schenkte ihm ihr liebreizendstes Lächeln. »Entschuldige, Kumpel, irgend so ein Mistkerl hat mir ein Bein gestellt. Ich besorg dir ein Frisches, ja?« Ihr Akzent war sorgfältig gewählt, East End, und noch dazu – keine falsche Bescheidenheit – fehlerfrei imitiert.
»Das geht schon in Ordnung, Schätzchen«, brummte er mit zusammengebissenen Zähnen. »War sowieso Zeit für ein Bad.«
Sie schürzte die Lippen und unterzog die Männer einer kecken Musterung. »Ihr Jungs seht aus, als hättet ihr einen harten Tag hinter euch. Und ich kann ’nen Mann doch nicht um sein schwer verdientes Feierabendbierchen bringen. Das wär nicht rechtens.« Die Männer machten Platz, damit sie ihre Münzen in die Theke werfen konnte. Das mechanische Wunderding sirrte, und das Bier wurde gezapft. »Ich bin Emma. Emma Kincaid. Ihr Jungs habt doch nichts dagegen, wenn ’ne Dame euch ’ne Runde spendiert, oder?«
»Hm, na ja«, erwiderte der große Kerl, inzwischen ein wenig sanfter. »Wenn ’ne Frau das Recht haben will zu wählen und ’ne Stimme bekommen möchte und all das, seh ich keinen Grund, warum sie nicht auch ’ne Runde schmeißen sollte.«
Das schallende Gelächter und die erhobenen Humpen waren Elizas Einladung, sich zu ihnen zu gesellen. Damit hatte sie immer Erfolg. Der Weg zum Herzen eines Mannes führte über die Kehle, und die ölte man am besten mit Bier.
In null Komma nichts hatten sie sich ihr vorgestellt: Buford, Seth und Josiah, allesamt Krankenpflegehelfer im Royal Hospital und allesamt Träger prachtvoller Schnurrbärte. Nachdem Eliza ein wenig nachgebohrt hatte – und nach zwei weiteren Runden für die Jungs, derweil sie sich weiterhin an ihrem ersten Humpen festhielt – , gab Seth zu, dass ihre Gesichtsbehaarung ein Wettbewerb war, an dem sich alle Krankenpflegehelfer des Royal Hospitals beteiligten. Bei der nächsten Runde forderten die Männer sie auf, ihren Favoriten zu wählen.
»Ach, komm schon, süße Emma«, drängelte Josiah und versuchte, seine raue Stimme zu einem etwas verführerischen Ton zu glätten. »So schöne blaue Augen wie deine sollten einen Glückspilz zum Gewinner erklären, hm?«
»Bitte«, sie hob abwehrend die Hände und lachte aus vollem Herzen, »ich kann unmöglich zwischen euch feinen Herren wählen.« Sie hielt inne und nippte an ihrem schwindenden Bier. Mit einem stummen Gebet, die Männer mögen nicht bemerken, wie leer ihr Glas bereits war, sah sie alle der Reihe nach an, bevor sie sagte: »Prächtige Oberlippenbärte habt ihr! Wahrhaftig, ich glaub kaum, dass irgendeiner dieser Oberschichtler euch dreien das Wasser reichen könnte.« Sie wartete, bis sich ihr Gelächter gelegt hatte. »Also, was genau habt ihr hübschen, strammen Jungs heut Abend zu feiern?«
Seth, der größte von ihnen, zwirbelte das Ende seines roten Schnauzers und hob sein Glas. »Den Tod des größten Hundsfotts von London!« Die beiden anderen johlten und grölten zustimmend.
»Na, das ist doch mal ein besonderer Titel.« Eliza lachte mit ihnen, hielt ihre Ohren bereit für das, was nun kommen würde. »Und wer ist der glückliche Titelträger?«
»Dr. Hundsfott Christopher Smith.« Buford klopfte ihr auf die Schulter, und diese unbekümmerte Geste hätte sie beinahe niedergestreckt. »Hat immer von oben auf uns und die Krankenschwestern runtergeschaut. Sogar auf die elenden Patienten!«
»Als wärn wir nur der Dreck unter seinen Schuhn«, fügte Seth hinzu und schwankte gegen die Theke. »Aber schlimmer als das … « Er sah sich um und beugte sich dann zu den anderen vor. »In seiner Praxis, unten auf der Ashfield Street … «
»Da kriegen mich keine zehn Pferde hin.« Buford kippte einen weiteren Schluck von seinem Bier. »Verdammte Todesfalle, das.«
Elizas Magen krampfte sich zusammen. Dieser ach so respektable Doktor hatte also noch eine andere Seite. Als hätte sie es nicht geahnt.
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