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Boomerang

Boomerang

Titel: Boomerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewis
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wollte, wie eigenartig das alles wirklich war, der musste in das besagte Kloster gehen.
    Ich hatte dafür gute Gründe, war mir jedoch ziemlich sicher, dass mich der Mönch vor die Tür setzen würde, wenn ich ihm diese offenbarte. Deshalb log ich. »Es heißt, dies sei der heiligste Ort der Welt«, sagte ich.
    ***
    Ich war erst wenige Tage zuvor nach Athen gekommen – genau eine Woche vor dem nächsten konzertierten Krawall und wenige Tage nachdem deutsche Politiker vorgeschlagen hatten, die griechische Regierung solle zur Tilgung ihrer Schulden Inseln verkaufen und eventuell noch ein paar antike Ruinen drauflegen. Der neue sozialistische Premierminister Griechenlands, Giorgos Papandreou, hatte sich genötigt gesehen, zu bestreiten, dass er den Verkauf von Inseln ernsthaft in Betracht ziehe. Die Rating-Agentur Moody’s hatte Griechenlands Bonität soeben auf ein Niveau herabgestuft, das sämtlichen griechischen Staatsanleihen Ramschstatus bescheinigte. Damit kamen sie für viele der damaligen Anleiheninhaber nicht mehr länger als Anlagen infrage. Der anschließende Abverkauf griechischer Anleihen auf dem Markt war kurzfristig keine große Sache, weil der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank miteinander vereinbart hatten, Griechenland – einem Land mit rund elf Millionen Einwohnern, also zwei Millionen weniger als der Großraum Los Angeles – mehr als 100 Milliarden Euro zu leihen. Für den |65| Moment war Griechenland damit aus den freien Finanzmärkten herausgelöst worden und stand in der Obhut anderer Staaten.
    So weit die gute Nachricht. Langfristig sah die Lage schon düsterer aus. Die griechischen Rechenknechte hatten nämlich gerade herausgefunden, dass ihre Regierung neben den rund 280 Milliarden Euro Schulden (Tendenz steigend) noch weitere 550 Milliarden Euro oder sogar mehr an Pensionsverpflichtungen hatte. Zusammengerechnet waren das über 830 Milliarden Euro beziehungsweise mehr als 175   000 Euro für jeden erwerbstätigen Griechen. Ein Rettungspaket über 100 Milliarden Euro war demnach eher Geste als Lösung. Wohlgemerkt, so stellten sich die amtlichen Zahlen dar. Die Wirklichkeit sieht sicherlich noch schlimmer aus. »Unsere Leute konnten kaum glauben, was sie da vorfanden«, erzählte mir ein IWF-Mitarbeiter kurz nach seiner Rückkehr vom ersten Griechenlandeinsatz des IWF. »Ihre Buchführung war eine Katastrophe. Sie wussten, wie viel sie vereinbarungsgemäß ausgeben durften, doch niemand kontrollierte, was tatsächlich ausgegeben wurde. Da wurde nicht gewirtschaftet wie in einem Schwellenland, sondern wie in der Dritten Welt.«
    Was die Griechen mit ihrem Haufen geliehenen Geldes vorhatten, sobald das Licht ausging und sie allein damit im Dunkeln saßen, war ganz offensichtlich Folgendes: Sie wollten mit ihrer Regierung Topfschlagen spielen: Astronomische Summen wurden unter einen Kochtopf gepackt und möglichst viele Bürger durften darauf eindreschen. Die Lohnkosten des öffentlichen Sektors in Griechenland haben sich allein in den letzten zehn Jahren effektiv verdoppelt. Die Bestechungsgelder, die griechische Beamte kassierten, sind darin noch gar nicht berücksichtigt. Ein Staatsbediensteter verdient im |66| Schnitt dreimal so viel wie ein Angestellter in der privaten Wirtschaft. Die staatliche Eisenbahn macht einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro bei jährlichen Personalkosten von 400 Millionen Euro – plus 300 Millionen Euro an sonstigen Aufwendungen. Der durchschnittliche Eisenbahner verdient in Griechenland 65   000 Euro im Jahr. Vor 20 Jahren merkte ein erfolgreicher Unternehmer und späterer Finanzminister namens Stefanos Manos an, dass es billiger wäre, alle Bahnreisenden in Griechenland mit dem Taxi zu befördern. Das trifft heute immer noch zu. »Unsere Eisenbahn ist bankrotter, als man sich vorstellen kann«, erklärte mir Manos. »Und trotzdem gibt es kein Privatunternehmen in Griechenland, das solche Durchschnittsgehälter zahlt.« Das öffentliche Schulsystem Griechenlands ist ein Paradebeispiel für Ineffizienz. Im europäischen Vergleich liegt das Land auf einem der hinteren Plätze, beschäftigt aber viermal so viele Lehrer pro Schüler wie der Spitzenreiter Finnland. Griechen, die ihre Kinder in staatliche Schulen schicken, gehen von vornherein davon aus, dass sie private Nachhilfelehrer engagieren müssen, wenn der Nachwuchs etwas lernen soll. Es gibt drei staatliche Rüstungsunternehmen. Diese haben zusammen Schulden in

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