Boomerang
taten, um den Kapitalismus zu vernichten, zeichneten sich die irischen Banker durch besondere Zerstörungswut aus. Kommentar von Theo Phanos, dessen Londoner Hedgefonds in Irland investiert ist: »Anglo Irish war vermutlich die schlechteste Bank der Welt. Noch schlechter als die isländischen Banken.«
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Die Finanzmisere in Irland wies einige Parallelen zur Lage in Island auf. Sie wurde von der Sorte Mann verursacht, die den Rat ihrer Frauen ignoriert, vielleicht doch mal lieber anzuhalten und nach dem Weg zu fragen. Doch während der isländische Mann ausländisches Geld hergenommen hatte, um damit im Ausland auf Eroberungszüge zu gehen – prestigeträchtige britische Gesellschaften zum Beispiel, ganze Stücke von Skandinavien –, verwendete der irische Mann das ausländische Geld, um Irland zu erobern. Als die Iren vor dem Haufen Geld im dunklen Kämmerlein saßen, wollten sie im Grunde Irland damit kaufen. Und zwar
voneinander
. Ein irischer Wirtschaftswissenschaftler namens Morgan Kelly, der die Verluste der irischen Banken am realistischsten eingeschätzt hatte, hat die Einbußen sämtlicher irischen Banken aus Immobiliengeschäften |108| grob auf plus/minus 106 Milliarden Euro kalkuliert (Amerikaner: bitte an 10,6 Billionen Dollar denken). Stellt man das den irischen Staatseinnahmen gegenüber, würden die Verluste irischer Banken allein die nächsten vier Jahre lang jeden Cent der in Irland gezahlten Steuern aufzehren.
Angesichts dieser astronomischen Verluste ist die irische Wirtschaft quasi unvermeidlich zusammengebrochen. Wer nach Dublin fliegt, der ist erstmals seit 15 Jahren gegen den Strom unterwegs. Wieder einmal verlassen Iren ihr Land, und mit ihnen scharenweise zugewanderte Arbeitnehmer. Ende 2006 betrug die Arbeitslosenquote etwas mehr als 4 Prozent, jetzt sind es 14 – Tendenz steigend. Sie ist dabei, auf Werte zu klettern, wie sie zuletzt Mitte der 1980er Jahre vorlagen. Noch vor wenigen Jahren konnte Irland billiger Geld aufnehmen als Deutschland. Wenn es jetzt überhaupt noch Kredit bekommt, zahlt es dafür 6 Prozent höhere Zinsen als die Bundesrepublik – wieder ein Echo aus vergangenen Zeiten. Das irische Haushaltsdefizit – 2007 hatte das Land einen Haushaltsüberschuss – liegt jetzt bei 32 Prozent seines BIP und damit auf dem höchsten Stand, der je in der Eurozone erreicht wurde. Professionelle Kreditanalysefirmen halten Irland inzwischen für das Land mit der dritthöchsten Ausfallwahrscheinlichkeit weltweit. Damit ist es für globale Investoren vielleicht nicht ganz so risikobehaftet wie Venezuela, doch riskanter als der Irak. Es besitzt auf jeden Fall eindeutig Drittweltniveau.
Als ich in Irland ankam, wirkte die irische Politik wie in einer Zeitschleife gefangen. In Island war die unternehmerfreundliche konservative Partei rasch aus dem Amt katapultiert worden und die Frauen hatten die Alphamännchen aus den Reihen der Banker und Regierungspolitiker verdrängt. |109| Auch in Griechenland waren die korrupten, unternehmerfreundlichen »Jeder-Grieche-für-sich-selbst«-Konservativen geschasst worden und die neue Regierung versucht, einen Gemeinsinn zu fördern oder wenigstens die Bürger zu überreden, künftig keine Steuern mehr zu hinterziehen. (Der neue griechische Premierminister ist nicht nur ein aufrechter Mann, sondern außerdem kaum ein »richtiger« Grieche.) Irland war das erste europäische Land, das erleben musste, wie sein gesamtes Bankensystem kollabierte. Dennoch blieb die unternehmerfreundliche konservative Partei Fianna Fáil (»Fiena Foil« ausgesprochen) bis Februar 2011 im Amt. Es gibt weder eine Tea-Party-Bewegung noch irgendwelche ernst zu nehmenden Proteste. Die einzige offensichtliche politische Veränderung im Land betraf die Rolle der Ausländer. Der neue Chef der Bankenaufsicht, ein Engländer, kam von den Bermudas. In der irischen Regierung und in den irischen Banken wimmelt es nur so von amerikanischen Investmentbankern, australischen Managementberatern und gesichtslosen Eurobeamten, die im irischen Finanzministerium schlicht als »die Deutschen« bezeichnet werden. Wenn Sie nachts durch die Straßen schlendern und durchs Fenster in die Restaurants schauen, sehen Sie dort wichtig anmutende Männer in Anzügen sitzen, die alleine essen und wichtig anmutende Papiere studieren. Auf eine seltsame neue Art war Dublin nun Besatzungszone: wie Hanoi um 1950. »Das Problem mit Irland ist, dass man nicht mehr mit Iren arbeiten darf«, erzählte mir ein
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