Boomerang
die Mönche offensichtlich bestimmte Synergieeffekte ergaben. Mithilfe eines griechischen Bankiers zogen die Klosterbrüder schließlich einen Immobilienfonds auf, den Vatopedi Real Estate Fund. Wer darin investierte, kaufte den Mönchen im Grunde die Immobilien ab, die ihnen die Regierung überlassen hatte. Und mit den Erlösen wollten die Mönche dann ihrem Kloster wieder zu seinem alten Glanz verhelfen.
Aus einer uralten Urkunde über einen wertlosen See hatten die beiden Mönche ein Vermögen gemacht, das sich nach Angaben griechischer Zeitungen zwischen ein paar zig Millionen und vielen Milliarden Euro bewegte. Wie viel die Mönche wirklich besaßen, wusste aber niemand so ganz genau. Und das war auch einer der Kritikpunkte an der ersten parlamentarischen Untersuchung der Angelegenheit. Ich richtete mich nach der Theorie, dass man am besten andere Reiche fragt – |100| und nicht Journalisten –, wenn man wissen will, wie viel Geld jemand wirklich hat. Deshalb befragte ich ein paar nach dem Zufallsprinzip ausgewählte vermögende Griechen, die ihr Geld im Immobilien- oder Finanzgeschäft gemacht hatten. Sie setzten den Wert der Immobilien und Finanzanlagen der Mönche irgendwo zwischen 700 Millionen und 1,5 Milliarden Euro an. Dieser Wert war aus dem Nichts erwachsen, seit das Kloster unter neuer Leitung stand. Dabei hatte es anfangs ausschließlich mit Vergebung gehandelt.
Die Mönche blieben bis ein Uhr früh in der Kirche. Normalerweise, erklärte mir Pater Arsenios, würden sie dann um vier wieder von vorne beginnen. Am Sonntag aber genehmigen sie sich eine längere Pause und fangen erst um sechs wieder an. Zählt man noch acht Stunden Gartenarbeit oder Geschirrspülen oder die Herstellung von Pfefferminzlikör dazu, erkennt man schnell: Was der eine als himmlisches Dasein betrachtet, könnten andere rasch als Hölle empfinden. Die Geschäftsführer – die Patres Efraim und Arsenios – entgehen dieser anstrengenden Routine an rund fünf Tagen des Monats. Ansonsten sieht auch ihr Leben nicht anders aus. »Die meisten Griechen haben dieses Bild vom Abt als Abzocker«, erzählt mir ein anderer Mönch, Pater Matthew aus Wisconsin, in einer Anwandlung, die ich als Offenheit werte. »Jedermann in Griechenland glaubt, der Abt und Pater Arsenios besäßen geheime Bankkonten. Das ist aber total abwegig. Was sollten sie denn damit? Sie können sich ja nicht einfach eine Woche freinehmen und in die Karibik jetten. Der Abt lebt in einer Zelle. Sie ist zwar sehr schön, aber er ist trotzdem noch Mönch. Und er verlässt das Kloster
äußerst
widerwillig.«
Die Erkenntnis, dass ich mich um sechs Uhr früh schon wieder in der Kirche einfinden soll, beeinträchtigt meine |101| Nachtruhe, statt sie zu fördern, sodass ich schon um fünf Uhr auf den Beinen bin. Es ist ganz still. Die absolute Ruhe ist so ungewohnt, dass ich gar nicht gleich merke, was mir fehlt. Kuppeln, Schornsteine, Türme und griechische Kreuze akzentuieren den grauen Himmel. Und auch ein paar große, untätige Kräne. Dass das Vermögen der Mönche eingefroren wurde, hat die Restaurierungsarbeiten im Kloster zum Erliegen gebracht. Um 5.15 Uhr höre ich erstes Rumoren aus der Kirche. Es klingt, als würde jemand die Ikonenwandschirme hin- und herschieben – die schweißtreibenden Vorbereitungen hinter der Bühne für die bevorstehende Show. Um halb sechs greift ein Mönch nach dem Seil und läutet eine Kirchenglocke. Dann herrscht wieder Stille. Sekunden später ertönt aus dem langgezogenen Schlaftrakt der Mönche das Piepen elektronischer Wecker. Weitere 20 Minuten später taumeln die Mönche allein oder in Zweiergruppen aus ihren Schlafräumen und streben über das Kopfsteinpflaster auf ihre Kirche zu. Es ist, als würde eine Fabrik in einer ganz auf eine Branche spezialisierten Industriestadt zum Leben erwachen. Es fehlen nur die Henkelmänner.
Drei Stunden später, ich sitze im Auto auf dem Rückweg nach Athen, klingelt mein Handy. Es ist Pater Matthew. Er möchte mich um einen Gefallen bitten.
Oh nein
, denke ich,
sie haben herausbekommen, was ich vorhabe, und wollen mir jetzt einen Maulkorb verpassen.
Herausgefunden hatten sie es zwar irgendwie, doch Matthew hatte etwas ganz anderes auf dem Herzen. Der Finanzminister bestand darauf, seine Zitate vorab zu prüfen, doch die Mönche ließen mich mit meinem Material einfach ziehen – recht verwunderlich angesichts der enormen Rechtsstreitigkeiten, die da auf sie zukamen. »Wir haben von diesem
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