Borderlands
entlassen. Eigentlich war es ein Lagerraum, dessen Inhalt – größtenteils
Putzmittel – man entfernt hatte. Man hatte einander gegenüber zwei
Schreibtische aufgestellt, jeder mit einem Telefon und einem Plastikstuhl.
Hinter einem der Schreibtische hatte man eine Korkwand an die Wand genagelt.
Ich war gerade damit beschäftigt, Tatortfotos und eine Zeitleiste zu diesem
Fall daran zu befestigen, als Burgess vom Empfang anrief, obwohl der nur
fünfzehn Meter entfernt war.
»Detective
Devlin«, sagte er mit einer Förmlichkeit, die nur Außenstehende beeindrucken
sollte, »hier ist eine Dame, die Sie sprechen möchte.«
Ich streckte
den Kopf aus der Bürotür und sah Miriam Powell, die Frau von Thomas Powell jr.,
vor Burgess’ Schreibtisch stehen. Ich habe bereits erzählt, dass ich Powell aus
meiner Jugend kannte, doch das war nur die halbe Geschichte. Ich kannte ihn,
weil er, als wir achtzehn waren, ohne mein Wissen mit Miriam Kelly ausging,
obwohl ich damals ihr fester Freund war. Sie hatte es mir erst erzählt, als sie
sich bereits seit vier Monaten trafen.
Wir hatten das
Auto meines Vaters unterhalb des Wasserwerks an der Nebenstraße nach Strabane
abgestellt und lagen auf dem Rücksitz. Sie war gerade aus den Ferien zurück,
und ihre Haut war gebräunt. Sie schien Hitze und Licht auszustrahlen, sogar in
der Dunkelheit des Autos, und an ihren Schultern und ihrem Hals konnte ich
Kokosnuss riechen und schmecken, als ich sie küsste, ihre Bluse beiseite schob
und am Verschluss ihres BH s herumfummelte, bis sie nach hinten griff und ihn für mich öffnete.
Sie knöpfte mein Hemd auf und fuhr mit der Hand über meine Brust. Ihr Atem
wehte mir ins Ohr, prickelte sanft auf der weichen Haut meines Nackens und
löste unbeschreibliche Gefühle in mir aus.
Nicht einmal
zehn Minuten später fuhren wir wieder Richtung Hauptstraße. Sie sah mich nicht
an, als ich mich für meinen Mangel an Beherrschung entschuldigte. Auch als sie
die Zigarette rauchte, die ich ihr gab, und mir sagte, sie wolle mich nicht
mehr wiedersehen und ich solle sie nach Hause fahren, sah sie mich nicht an.
Während ich beobachtete, wie sie die Einfahrt zum Haus ihres Vaters
entlangging, überkam mich die verstörende Vorstellung, dass sie nur aus Mitleid
meine Bedürfnisse befriedigt hatte – ein letzter wohltätiger Akt, an den sie
nicht mehr Gedanken verschwendete als an die Zigarettenkippe, die sie in die
Einfahrt schnippte.
Drei Abende
später sah ich sie bei einer örtlichen Tanzveranstaltung, an der teilzunehmen
meine Brüder mich gezwungen hatten, eng umschlungen mit Thomas Powell tanzen,
mit einer Selbstverständlichkeit, wie nur Vertrautheit sie erzeugen kann. Sie
presste ihren Bauch an ihn, während sie sich im Discolicht wiegten, und ich
sah, wie ihre Hand in seine Tasche glitt, während seine Hand auf ihrem Po landete.
Sie flüsterte Powell irgendetwas zu, und er sah zu mir herüber. Dann lachten
die beiden über ein gemeinsames Geheimnis, bei dem, da war ich sicher, mein
Missgeschick auf dem Autorücksitz eine Rolle spielte. Infolgedessen sehe ich
noch heute jedes Mal, wenn ich Powell treffe, sein lächelndes Gesicht vor mir.
Das gleiche Bild habe ich vor Augen, wenn ich seiner Frau begegne, überschattet
von der Erinnerung an ihren erregten Atem, der heiß über meine Wange strich,
und das Kokosnussaroma einer von der Sonne liebkosten Haut.
Burgess
deutete auf mich, und sie schritt auf unser Lagerraum-Büro zu und wich dabei
den Ecken der Schreibtische und Aktenschränke, mit denen der
Hauptarbeitsbereich der Polizeiwache vollgestellt war, gewandt aus. Sie trug
einen Leinenanzug, der ihre gebräunte Haut betonte, obwohl es in zwei Tagen
Weihnachten war. Ihr braunes Haar war kurz geschnitten und ein wenig stachelig
frisiert. Unter dem Arm trug sie eine kleine Handtasche. Sie streckte mir eine
perfekt manikürte Hand entgegen. Ich war unsicher, ob ich sie küssen oder
schütteln sollte, entschied mich jedoch für Letzteres und bot ihr einen Stuhl
an. Sie setzte sich, schlug lässig die Beine übereinander und zupfte das rechte
Hosenbein zurecht, damit die Bügelfalte ordentlich fiel. Obwohl es draußen
fror, hatte sie Sandalen an. Mir fiel auf, dass sie am kleinen Zeh einen
zierlichen Goldring trug.
»Benedict. Wie
schön, dich zu sehen. Wie geht’s … deiner Frau?« Miriam hatte mit Debbie
zusammen studiert, und die beiden hatten etwa zu der Zeit, als Debbie und ich
zusammenkamen, ein Jahr lang zusammengewohnt. Obwohl sie uns
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