Borderlands
am
anderen Ende der Leitung; Williams und ich sahen uns an. Williams zuckte mit
den Achseln und wollte gerade etwas sagen, da ertönte Knistern aus dem
Lautsprecher, dann hörten wir Hendrys Stimme: »Geben Sie mir zehn Minuten, dann
rufe ich Sie zurück«, sagte er. Jeder Anflug von Humor war aus seiner Stimme
verschwunden. Wir hörten ein Klicken, und die Leitung war tot.
Er rief erst
nach einer knappen halben Stunde wieder an, als wir uns bereits Lifford
näherten.
»Ich musste
etwas überprüfen, aber ich hatte recht«, sagte er rätselhaft. »Sie werden bei
Mary Knox kein Glück haben. Sie ist 1978 verschwunden, gilt als tot.«
»Was ist ihr
zugestoßen?«, fragte ich.
»Genau das,
was ich gesagt habe. Eines Tages war sie weg. Vom Antlitz der Erde
verschwunden. Silvester 1978, um genau zu sein.«
»Inspector
Hendry, Sergeant Caroline Williams hier, Sir. Sie haben gesagt, sie ›gilt als tot‹.
Warum?«
»Schön, Sie
kennenzulernen, Sergeant, sozusagen. Nennen Sie mich Jim. Wir halten sie für
tot, weil man nie wieder von ihr gehört hat; Bankkonten und Erspartes, alles
unberührt. Außerdem hat sie ein … sagen wir, liederliches Leben geführt.«
»Hübsch
gesagt, Jim«, sagte ich.
»Ich hab
gesagt, die Dame darf mich Jim nennen, Sie nicht, Devlin«, erwiderte er
lachend.
Er versprach
uns, so viel zusammenzutragen, wie er konnte, sobald er wieder Dienst hatte
(eine sanfte Erinnerung daran, dass wir ihn an seinem freien Tag behelligten),
und legte auf.
Als wir zurückkamen, setzte ich Williams zu
Hause ab und bat sie, Holmes zu sagen, er solle das Foto von Angela Cashells
Fundort auf der Wache für mich hinterlegen. Dann fuhr ich nach Hause, um den
Kuchen für Debbie abzuliefern. Als ich ins Haus kam, buk sie mit Penny gerade
Sandküchlein, und Shane saß in seinem Hochstuhl und kaute auf einem
Plastikklötzchen. Er lächelte mich an, als ich hereinkam, und hob die Arme,
damit ich ihn hochnahm.
»Ein Kuss für
meine Lieblingsmädchen«, sagte ich und küsste sie beide auf die Stirn, ehe ich
zu Shane ging und ihn hochhob. Er klammerte sich an mein Hemd und trat mir in
den Bauch.
»Wie war’s in
Donegal?«, fragte Debbie.
»Ereignisreich«,
erwiderte ich und erzählte ihr, was wir entdeckt hatten. »Wie war’s zu Hause?«
»Prima. Nur
schade, dass wir diesen Kuchen nicht schon vor zwei Stunden hatten, da hatten
wir nämlich Besuch, stimmt’s, Penny?«, meinte Debbie. Aber Penny brachte Frank,
dem wir in der Küche ein Lager bereitet hatten, gerade eins der frisch
gebackenen Küchlein. Er sah hoch und winselte ein wenig, doch dann verputzte er
das Küchlein mit einem Biss und wedelte schwach mit dem Schwanz, während Penny
die rosige Stelle unter seinem Kinn kratzte. »Miriam Powell war hier«, fuhr
Debbie fort.
»Hier?«,
fragte ich.
Sie nickte
grimmig. »Wir hatten einen sehr interessanten Plausch über alles Mögliche:
hauptsächlich darüber, was für ein Glückspilz ich bin; wie beschissen ihre Ehe
ist; wie distanziert Thomas ist; und so weiter und so weiter.«
»Hat sie die
andere Sache erwähnt? Den Abend neulich?«
»Nein. Sie hat
sich dafür entschuldigt, dass sie betrunken war, obwohl sie heute Nachmittag
genauso streng gerochen hat. Sie will, dass du sie wegen ihres Schwiegervaters
besuchst. Ich gehe mal davon aus, dass diesmal kein Körperkontakt im Spiel sein
wird.«
Am Abend saßen
wir alle auf dem Sofa, aßen Schokoladenkuchen und sahen uns Filme an, die ich
in der Videothek ausgeliehen hatte. Penny schlief ein, sie hatte sich neben
Debbie zusammengerollt, ihre Beine lagen quer über meinem Schoß. Wir wickelten
sie in eine Decke und trugen sie ins Bett. Ich stand an ihrem Fenster und
beobachtete eine Gruppe Männer mit Gewehren – eine kleinere Truppe als am Abend
zuvor –, die an unserem Haus vorbei zu Andersons Weide trotteten, auf der Suche
nach dem flüchtigen Schafskiller, der, wie ich vermutete, in Wirklichkeit unten
in meiner Küche lag.
Dann streckte
Debbie sich auf dem Sofa aus und legte den Kopf in meinen Schoß. Ich spielte
mit ihren Haaren und massierte ihr die Nacken- und Schultermuskeln. In wenigen
Minuten war Debs eingeschlafen, und ich saß in der Stille da, sah mir albernes
Zeug an und genoss mein Zuhause. Angela Cashell, Terry Boyle, Ratsy Donaghey
und Whitey McKelvey hatte ich vorübergehend vergessen.
Um halb drei morgens weckte mich plötzlich
das Klirren zerbrechenden Glases. Ich lag einige Augenblicke im halbdunklen
Schlafzimmer und beobachtete die
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