Borderlands
aufsetzte. Er wirkte frisch geduscht, die Haare
noch nass und hier und da vom Kopf abstehend. Obwohl es später Nachmittag war,
hatte er sich vor kurzem rasiert und roch stark nach Aftershave. »Habe ich
etwas verpasst?«, fragte er.
Ich erzählte Debbie nichts von meinem Besuch
bei Miriam Powell, und den ganzen Abend überlegte ich, was der wahre Grund
dafür war. Miriam hatte das Unabgeschlossene in unserer Beziehung gespürt; doch
von meiner Seite war auch Eitelkeit im Spiel. Miriam Powell würde immer noch
mit mir schlafen, ob nun aus Mitleid oder als gute Tat oder aus einem
obsessiven Bedürfnis heraus, sich selbst noch weiter zu erniedrigen. Vielleicht
wollte sie sich an ihrem untreuen Ehemann rächen. Vielleicht wollte sie einfach
nur Spaß.
Wenn ich die
Leere in ihren Augen nicht gesehen hätte, wäre ich dann weitergegangen und
hätte mich auf sie eingelassen, hätte alles verraten, was mir wichtig war? Ich
sagte mir, dass ich das nicht getan hätte. Und als ich meinen Kindern einen
Gutenachtkuss gab und mich zum Schlafen hinter Debbie zusammenrollte, glaubte
ich das auch.
In dieser
Nacht träumte ich von Miriam Powell. Wir saßen hinter dem Kino zusammen auf dem
Rücksitz eines Autos. Wir küssten uns, und als sie ihre Wange an meine drückte,
spürte ich ihren Atem heiß und drängend an meinem Ohr. Über ihre nackte
Schulter hinweg konnte ich durch die Windschutzscheibe Angela Cashells Leiche
im Gras liegen sehen. Debbie stand über ihr und schüttelte den Kopf. Miriam
zupfte an meinem Hemd, öffnete die Knöpfe, und dann hörte ich Schreie. Ich rieb
über die beschlagene Scheibe und erblickte neben uns ein weiteres Auto. Die
Innenbeleuchtung brannte, und ich sah Costello mit einer gesichtslosen Frau.
Sie hatte braune Haare und braune Augen, und ihr Körper war entstellt und
misshandelt. Sie sah mich an und schrie. Dann setzte sich das Auto, in dem ich
mich befand, in Bewegung. Hinter mir zuckten Flammen aus dem Kofferraum, und
ich meinte, das Benzin im Tank blubbern zu hören, wie kurz vor der Explosion.
Mein Magen machte einen Satz, und als ich wieder hinsah, saß Terry Boyle neben
mir, sein fauliger Atem und der Gestank seines verbrannten Fleisches drangen
mir in Mund und Nase, die verkohlten Überreste seiner Hand umklammerten mein
Knie. Plötzlich saß Whitey McKelvey hinterm Steuer, das Gesicht verzerrt und
erstarrt, seine Hände lagen sinnlos auf dem schmelzenden Lenkrad, das sich wild
drehte und völlig außer Kontrolle geriet.
12
Sonntag, 29. Dezember
Um vier Uhr morgens wachte ich mit einem
übermächtigen Bedürfnis nach Essen auf. Ich beschied mich mit Kaffee und einer
Zigarette, die ich an der Hintertür rauchte, während Frank in seinem Korb lag
und mich mit kritischem Blick beobachtete. Ich ging hinaus in den Garten, der
eisig unter einem klaren Nachthimmel lag. Die zahlreichen Sterne schienen hell.
Es war beinahe Neumond, die Sichel war so dünn und gekrümmt wie ein Streifchen
Zitronenschale. Ich lief auf und ab, um mich warmzuhalten, und untersuchte
dabei die Außenwände von Franks Hütte. An der Rückseite fand ich, verborgen
unter den Zweigen der Kiefernhecke, schließlich eine Stelle, an der die Bretter
verrottet und zerbrochen waren. Dort hatte Frank sich hinaus- und
hineingezwängt. Von innen war das Loch hinter Tüten mit Stoff verborgen, mit
dem wir während der Renovierung des Hauses die Möbel abgedeckt hatten. Am Boden
entdeckte ich auch die Blutspur vom Abend der Jagd. Obwohl ich versucht hatte,
den Gedanken daran zu verdrängen, wusste ich, dass wir Frank früher oder später
würden einschläfern lassen müssen, wenn er Schafe riss.
Dann lag ich auf dem Sofa und konnte die
Sorge nicht abschütteln, dass derjenige, der mein Zuhause einmal angegriffen
hatte, es bestimmt noch einmal versuchen würde. Bis zum Morgengrauen lag ich
wach. Dann stellte ich den Fernseher an und muss wohl davor eingeschlafen sein.
Ich wachte steif und verkrampft auf, das Gesicht heiß und stoppelig. Meine
Augen waren trocken und wund, und meine Haut roch nach Salz und Schweiß. Penny
stand vor mir und sah mich an, den Kopf schräg gelegt.
»Habt ihr euch
gestritten, du und Mommy?«, fragte sie mit einer Sachlichkeit, die ich bei
meiner fünfjährigen Tochter beunruhigend fand.
»Nein,
Schätzchen. Ich konnte nur nicht schlafen, deshalb bin ich nach unten
gegangen«, antwortete ich und versuchte zu lächeln, während ich meinen
verspannten Hals dehnte.
»Warum?«
»Weil ich
nicht
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