Borderline ein Narco-Thriller
für sie hat. Wie soll er es ihr bloß beibringen? Ihr Lover ein Killer und Drogenboss? Schlimmer kann es eigentlich nicht kommen.
Während er langsam durch die Fotos scrollt, stutzt er plötzlich. Er vergrößert das Bild, sieht genauer hin. Der Schrecken fährt ihm wie ein Stromschlag in die Glieder, als er erkennt, was sich darauf befindet.
Doch, es kann viel schlimmer kommen.
* * *
Mit zitternden Fingern legt Diego das Telefon auf den Küchentisch, kramt nach einer Zigarette. Er zündet sich eine an, tritt auf den Balkon und schaut über die Balustrade auf die Straße tief unter ihm. Eine Polizeisirene schallt zu ihm herauf.
Nach zwei Zügen wirft er die Zigarette weg, läuft ins Schlafzimmer und wirft sich hastig ein frisches Hemd über. Dann schleicht er zur Wohnungstür, späht vorsichtig auf den Videomonitor. Mit Erleichterung registriert er, dass der Flur vor dem Penthouse leer ist.
Er kramt eilig Telefone, Schlüssel, Geld, Karten und Papiere zusammen, steckt sie ein und öffnet die Tür. Bevor er die Wohnung verlässt, wirft er einen letzten Blick in das lieb gewonnene Penthouse. Seufzend lässt er die Tür ins Schloss fallen und geht zum Fahrstuhl.
* * *
„Was machst du denn hier?“
Überrascht schaut Claire über den Monitor hinweg auf Jack, der mit nervös gegen seine Umhängetasche trommelnden Fingern vor ihr steht.
„Hab gesehen, dass du mir die Daten geschickt hast, und dachte, dass du im Büro bist. Ich muss dir ein paar Sachen zeigen.“ Suchend blickt er sich im Großraumbüro um. „Können wir irgendwo hin, wo wir ungestört sind?“
„Klar, komm mit.“ Sie steht auf und führt ihn durch den Flur in das kleine Besprechungszimmer. „Kaffee? Wasser?“
Er schüttelt stumm den Kopf und schiebt sie zu einem Stuhl. Dann setzt er sich direkt daneben, kramt ein iPad aus der Tasche und legt es vor sie auf den Tisch. Jack schaut sie einen Moment prüfend an, räuspert sich kurz. „Wir haben Marc Remosa identifiziert.“
Verwundert zieht Claire die Augenbrauen hoch.
Identifiziert?
„Hm, wo soll ich anfangen?“ Jack fährt sich nachdenklich mit der Hand durch die Haare. „Also, sein wirklicher Name lautet jedenfalls nicht so.“
„Sondern?“
Er macht eine Pause, schlägt die Augen nieder und schaut mit besorgter Miene auf die graue Tischplatte.
Was ist bloß los mit ihm
, denkt Claire erstaunt. So unsicher kennt sie Jack sonst nicht. Sie spürt ein mulmiges Gefühl in sich nach oben steigen. „Nun sag schon!“
Er nickt noch einmal, wie um sich zu vergewissern, dass sie schon aushalten wird. Was auch immer er ihr offenbaren wird.
„Okay. Wie es aussieht, handelt es sich bei deinem Freund um Diego Locando.“ Jack hält einen Moment inne, legt die Hand beruhigend auf Claires Unterarm. „Wir sind nicht zu einhundert Prozent sicher, gehen aber davon aus, dass es sich bei ihm um den verschollenen Bruder von Maria Locando handelt.“
Mit leerem Blick starrt Claire auf die gegenüberliegende Wand, verzweifelt bemüht, das gerade Gehörte zu verstehen. Vergeblich. Erst als sie Jacks energisch an ihrem Arm rüttelnde Hand spürt, wendet sie ihm wieder ihre Aufmerksamkeit zu.
„Das ist leider noch nicht alles. Hier.“ Er schaltet das iPad an und tippt auf die Fotogalerie. „Das haben wir bei den SMS gefunden, die du von seinem Telefon gezogen hast.“
Er vergrößert ein Bild, und Claire starrt in einen Abgrund.
* * *
Wie auf Speed rennt Diego durch die Straßen Downtowns. Seit Avrils Anruf ist über eine halbe Stunde vergangen, trotzdem pumpt ihm noch immer ein nicht enden wollender Adrenalinfluss durch den Körper. Zusammenhanglos wie Trümmerteile einer geplatzten Bombe wirbeln ihm die Gedanken durch den Schädel.
Claire, Avril, Flucht, Gefängnis, Verrat.
Er kann nicht glauben, dass sie es war, die den Behörden das Foto gegeben hat! Ausgerechnet Claire? Ist es ausgerechnet
eine Frau
, die ihm seine gefälschte Identität vermasselt? Dann wieder schlägt er sich wütend an die Stirn.
Wer, wenn nicht sie?
Schließlich
arbeitet
sie für einen dieser Läden. Außerdem passt es perfekt zu ihrem grußlosen Abgang.
Schnellen Schrittes hastet er im Zickzackkurs durch die schattigen Straßenschluchten und blickt sich dabei aus Angst vor Verfolgern permanent um. Erfolglos versucht er, ruhig zu bleiben. Dabei weiß er, eine Paranoia ist das Letzte, was er jetzt gebrauchen kann. Auf der Suche nach dem Handy durchwühlt er fahrig seine Taschen, wählt
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